Liebe und Völkermord
Augen.
Zu seiner Überraschung stand Martha vor der Tür. Sie flüsterte. Sie bat, sie hereinzulassen. Er schüttelte den Kopf, doch, wenn er sie zu lange vor seiner Tür hätte warten lassen, hätte irgendjemand sie womöglich gesehen. Also ließ er sie doch noch herein.
Seufzend schlenderte er zurück zu seinem Platz in der Ecke und setzte sich auf den Boden hin.
Sie blieb neben der Tür stehen. „Hier schläfst du? Auf diesem kargen Boden? Ich hole dir eine Matte.“
„Nein! Sag, was du willst und dann geh und komm nie wieder!“
Sie schaute ihn deprimiert an. „Nein, sag das nicht! Barsaumo, ich brauche dich!“
Er hielt seine rechte Hand vor seinem Gesicht und seufzte wieder. „Geh zurück zu deinem Mann, Weib!“
„ Ich habe dich all die Jahre vermisst. Glaub mir! Barsaumo, ich liebe dich! Wenn die Umstände nicht so gewesen wären damals, wäre ich mit dir geflohen.“
„ Ich wäre aber nicht mit dir zusammen fortgegangen! Verstehst du das nicht?! Für mich war es nur ein Abenteuer, auf das ich Dummkopf mich eingelassen habe. Ich bereue es jeden Tag!“
Sie machte einen Schritt nach vorne und sprach etwas lauter. Ihre Zunge zitterte. „Nein, du kannst es nicht bereuen! Schau dir Gabriel an. Er sieht so aus wie du. Er ist dein Sohn! Wenn ich ihn anschaute, sah ich dich. Er ist mein einziger Trost in den letzten Jahren gewesen. Ich liebe ihn genauso wie meine beiden anderen Kinder.“
Barsaumo konnte nicht fassen, was er da aus ihrem Mund hörte. Diese Frau hatte schwer gegen Gott gesündigt und sie bereute es immer noch nicht. Offensichtlich liebte sie ihn wirklich. Doch er konnte nicht noch einmal gegen Gott sündigen.
Sie flennte. Sie unterdrückte ihr Weinen, da sie befürchtete, irgendjemand im Gang würde sie hören.
Er schaute sie die ganze Zeit nicht an. Wieder seufzte er. „Ich nehme an, er weiß es nicht.“
„ Nein. Gabriel hat zwar braune Augen und nicht blaue wie die beiden anderen, aber er glaubt, das Kind sei von ihm und es hätte die Augenfarbe von mir.“
„ Geh jetzt zurück zu deinem Mann und komm nie wieder hierher!“
Sie hastete auf ihn zu und warf sich auf ihn. „Ich liebe dich, Barsaumo! Verlass mich nicht!“
Er warf sie zur Seite.
Sie raffte sich auf.
Schließlich resignierte sie und trottete zur Tür.
Daniela wartete zwei ganze Tage lang allein in ihrer Kammer. Wenn sie nicht schlief, dann lag sie auf der Matte mit offenen Augen und starrte die Decke an.
Matthias kam nicht wieder zurück.
Sie vermisste ihn. Sie dachte an die zärtlichen, intimen Momente mit ihm. Bisweilen weinte sie und dachte, er sei von den Moslems getötet worden. Als sie sich beruhigte, war sie zuversichtlich, er sei nicht durch die Hand der Moslems gestorben.
Am dritten Tag verließ sie ihre Kammer und ging in den Innenhof. Der Anblick der vielen Kranken deprimierte sie noch mehr. Sie hatte keine Freunde mehr in dieser Welt, und auch keine Verwandten mehr.
Dort im Innenhof erblickte Juhanun sie. Er war ein stämmiger junger Mann im Alter von 25 Jahren und kam aus Midjat. Ihre ruhige Art faszinierte ihn. Jetzt in diesen letzten Tagen, da er dachte, er würde hier innerhalb dieser Klostermauern sterben, wollte er eine Frau in seinen Armen spüren. Daniela weckte in ihm das Verlangen.
Sie drehte sich zur Tür wieder um und wollte wieder durch den Gang schreiten zu ihrer Kammer. Da stellte sich Juhanun genau vor ihr hin. Sie schaute ihn verwirrt an, nichts ahnend, was der junge Mann von ihr wollte. Er lächelte sie an und fasste sie am rechten Unterarm an. Sie hielt ihn für einen Irren und huschte an ihm vorbei und eilte zu ihrer Kammer. Er lief ihr hinterher.
Als er sie vor der Tür ihrer Kammer einholte und sich vor ihr hin stellte, wurde ihr der Ernst der Lage klar. Ihr Herz raste. Sie wusste nicht, ob sie schreien sollte. Das hätte einen Skandal verursacht. Da die Menschen im Kloster sich sowieso schon in einem Zustand des Elends befanden, hätte eine solche Sünde sie zu sehr gereizt und hätte dann womöglich das Schlimmste heraufbeschworen, dachte sie. Und hätten sie in diesem Fall ihm oder ihr geglaubt, fragte sie sich.
Daher versuchte sie, vernünftig mit ihm zu reden.
Jetzt streichelte er sogar ihr Haar.
Sie ließ ihn in die Kammer herein. Direkt vor der Tür sprach sie auf ihn ein. Sie versuchte, sich zu beherrschen. „Ich bin die Frau eines anderen Mannes! Fass mich nie wieder an! Geh jetzt!“
„ Wer ist dein Mann? Ich habe dich nicht mit einem anderen Mann
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