Liebe und Völkermord
gesehen. Und hier ist auch niemand.“
„ Ich habe aber einen Mann! Er ist zurzeit nicht da, aber er wird wiederkommen! Geh jetzt!“
Er starrte von oben auf sie herab. Er überlegte, ob sie ihn anlog oder die Wahrheit sagte.
Schließlich gab er nach und verließ den Raum. Daniela dachte, sie wäre ihn losgeworden, doch dem war nicht so. Er ging, weil er erfahren wollte, wer ihr Mann war. So ging er in die größeren Räume auf der anderen Seite, wo sich die Frauen versammelten. Dort sprach er die Frauen an und fragte sie bezüglich Daniela aus. Sie antworteten ihm, sie würden zwar Daniela kennen, aber sie sei eine Witwe und von einem neuen Mann an ihrer Seite würden sie nichts wissen.
Schließlich sprach eine alte Frau zu ihm. Die alte Frau wollte Daniela in Schutz nehmen und sie sah keinen anderen Weg, als dem Kerl von Danielas neuem Mann zu erzählen. „Ja, sie hat einen Mann. Er ist kleinwüchsig. Du hast ihn bestimmt schon einmal gesehen in den letzten Tagen.“
Juhanun war vor einigen Tagen mit Murad aus Dijabakir nach Iwardo über den Geheimgang gekommen. Murad war jener Sohn des Musa, welcher mit seinem Schwager für den Scheich Fathallah das Haus des Imams überfallen hatte.
Er hatte Matthias nicht gesehen, aber von dem kleinen Mann gehört, welcher in das muslimische Lager geschickt worden sei.
Er ging darauf noch einmal zu Danielas Kammer und klopfte an die Tür. Sie öffnete ihm die Tür.
Er schloss leise die Tür hinter sich. Er schaute sie ernst an. „Matthias wird nicht zurückkommen.“
Sie drehte sich schockiert zu ihm um. „Was redest du da? Er wird zurückkommen!“
„ Nein, wird er nicht! Er ist schon seit zehn Tagen weg. Niemand weiß, was mit ihm geschehen ist. Höchstwahrscheinlich ist er tot.“
Sie ohrfeigte ihn. Er geriet in Rage, doch schlug er sie nicht.
„Verschwinde und komm nicht wieder!“
Er schnaubte. Dann gab er doch auf und verließ die Kammer.
Drei Tage später kam er erneut in ihre Kammer. Sie weinte und forderte ihn immer wieder auf, sie in Ruhe zu lassen und zu gehen. Er blieb jedoch. „Komm doch endlich zur Vernunft! Er wird nicht zurückkommen!“
Sie setzte sich auf die Matte hin und hielt sich ihre rechte Hand vor dem Mund. Sie winselte.
„Und höchstwahrscheinlich werden wir alle hier drin sterben. Wenn nicht hier, dann da draußen! Sie werden uns nicht verschonen. Willst du etwa die letzten Tage deines Lebens ohne einen Mann an deiner Seite verbringen?!“
„ Schweig! Verschwinde!“
Resigniert verließ er den Raum.
Nach zwei Tagen suchte er sie wieder in ihrer Kammer auf. Wieder redete er auf sie ein. Matthias sei tot und er würde nicht mehr zurückkommen, sagte er mehrmals zu ihr.
Sie weinte. Sie legte sich auf die Matte hin und vergrub ihr Gesicht in ihren Armen.
Es gab fast gar nichts mehr zu essen. Die Mönche hatten die letzten Laibe Brot verteilt. Sie gaben zuerst den Kindern und den Frauen etwas davon.
Er war dürr geworden.
Sie dachte über ihre Lage nach. Wenn er recht hatte, dann hätte es wirklich keinen Sinn gemacht, auf Matthias zu warten, dachte sie. Sie sehnte sich nach Geborgenheit. Sie war allein. Sie war einsam.
Dann war noch jener sündige Gedanke, welcher nun wieder in ihren Gedankengängen aufkam und sie ihn nicht verbannen konnte. Matthias war ein Kleinwüchsiger und kein ganzer Mann. Stets versuchte sie, diesen sündigen Gedanken aus ihrem Kopf zu bannen. Nun war ein solcher Moment der Schwäche gekommen. Sie relativierte die Lage. Dann redete sie sich ein, sie bräuchte einen Mann wie jeder andere, einen großgewachsenen. Matthias sei nun einmal ein Kleinwüchsiger und er sei doch entgegen ihres ausdrücklichen Wunsches in das Lager der Moslems gegangen. Er habe sie im Stich gelassen.
Juhanun bückte sich vor. Er legte sich zu ihr hin. Vorsichtig fasste er ihr Haar an und streichelte sie. „Pscht, es ist alles in Ordnung. Ich bin hier bei dir. Alles wird gut.“
Dann packte er ihren rechten Arm und legte ihn auf ihre Brust. Ihre Augen hielt sie verschlossen.
Er küsste sie auf ihren Mund.
Sie scheute sich zuerst noch davor. Er küsste sie leidenschaftlicher auf den Mund, dann ihren Kinn und ihren Hals herab.
Sie wehrte sich nicht. Sie genoss die Wärme seiner Küsse.
Murad bedankte sich beim Bischof für seine Aufmerksamkeit.
Philoxenos war blass geworden im Gesicht. Er aß seit sechs Tagen nur eine kleine Scheibe Brot täglich.
„Sejdna, vertraut mir, wir haben nur auf diese Art noch eine
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