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Liebe und Völkermord

Liebe und Völkermord

Titel: Liebe und Völkermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Imran
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kurz, als er erschrocken den Schatten eines Menschen am Eingang seiner Höhle erblickte. Der Mensch trat näher und stand nun am Eingang. Soraja.
     
    Als Isa die beiden Kinder und den Jungen mitbrachte, schwieg Maria schockiert. Sie zog ihren Mann in eine Ecke und fragte ihn, warum er denn so viele Kinder mitgenommen hätte, sie hätten doch keinen Platz mehr. Er bat sie, nicht so harsch zu sein. Es sei ohnehin nur vorübergehend, bis das Dorf eine für alle zufrieden stellende Lösung hätte. Maria gab widerwillig nach.
    Rahel führte die beiden Kinder, Aram und Gabriel, in eine Ecke, wo sie sie bat, sich hinzusetzen. Sie kämmte ihre Haare, sie waren zerzaust. Sie holte danach einen Eimer voll Wasser von draußen. Erst senkte Aram, danach Gabriel seinen Kopf und Rahel tauchte ihre rechte Hand in das Wasser und wusch ihre Haare. Maria blieb auf der anderen Seite des Raumes stehen und schaute ihrer Tochter verwundert und begeistert zu. Der Junge, Stephan, war mit Isa aus dem Haus gegangen.
    Isa nahm ihn mit auf die Heide, südlich des Dorfes. Das war das Land, was sein Vater ihm vererbt hatte, wie er stolz dem kleinen Armenier erzählte, wenngleich der Junge kein einziges Wort Aramäisch verstand.
    Er stellte ihn seinen Söhnen Siwar und Madschid vor. Beide nahmen ihn freundlich in ihren Kreis auf. Dies war nicht selbstverständlich. Jede Familie hatte ihr eigenes Territorium und lebte und arbeitete in  von anderen strikt getrennten Gruppen. Ein Angehöriger der Sippe des Malke oder des Ibrahim konnte nicht einfach so für einen Großgrundbesitzer aus der Sippe des Isa oder des Antar arbeiten. Es sei denn, er hatte in die Familie eingeheiratet. Doch selbst dann galten strenge ungeschriebene Gesetze. In den meisten Fällen wanderten die Frauen zu den Sippen ihrer Ehemänner. Nur wenige Männer schlossen sich der Sippe ihrer Ehefrauen an.
    Die Aramäer waren schon seit Urzeiten, seit Abraham und seinen Urahnen, vorwiegend Hirten gewesen. Jeder Hirte war zugleich auch ein Bauer. Jede Sippe besaß große Flächen an Land. Es wurden allerlei Arten von Gemüse, wie zum Beispiel Paprika und Zwiebeln, angebaut. Und zudem noch gab es viele Bäume, vorwiegend Pistazien- und Dattelbäume, deren Früchte von den Aramäern sehr begehrt wurden.
    Dieser Vormittag war so sonnig und herrlich wie der des vorherigen Tages. Isa liebte es, wie der Schweiß über seinen Rücken rann. Er hielt in seiner rechten Hand einen großen Stab, einst aus einem Baumstamm aus Charabemischka geschlagen, und stieß damit die Schafe und Ziegen an.
    Stefan war immer noch von den schrecklichen Ereignissen der letzten Tage traumatisiert. Immer wieder hörte er das Geschrei seiner Mutter, sie wurde vor seinen eigenen Augen von türkischen Soldaten vergewaltigt und zu Tode erstochen. Isa konnte nicht im Mindesten erahnen, was der Junge gesehen hatte. Er wusste, der Junge hatte viel Leid erdulden müssen. Daher beabsichtigte er, ihn, so gut es ihm nur gelingen konnte, abzulenken. Doch der sechsjährige Armenier war für nichts zu begeistern, weder für die Weide noch für die Viehzucht. Er führte ihn zu der Kuh, welche am Rande der Ebene kurz vor dem Hügel stand. Er zog an ihrer Titte vorne rechts, und dachte, er würde den Jungen damit aufheitern können, doch es gelang ihm wieder nicht.
    Schließlich bat er Siwar, Stefan ins Haus zu bringen. Er sollte schlafen. Isa war davon überzeugt, nur noch langer und tiefer Schlaf würde den Jungen von seinem Leiden erlösen können.
    Als Madschid schon weit nach vorne mit einem Teil der Herde gerückt war, vorne über den Gehweg in Richtung des Dorfes Ehwo, tauchte plötzlich Abuna Isa hinter Madschids Vater auf. Er neigte sein Haupt. „Barechmor, Abuna.“
    Der Abuna schien um viele Jahre gealtert zu sein. Mit gedämpfter Stimme erwiderte er: „Aloho mbarech.“
    Isa hatte den Priester noch nie in solch einem Zustand gesehen. „Geht es Euch nicht gut, Abuna? Ich bringe Euch etwas zu trinken.“
    „Nein, schon gut, bleib stehen.“
    Isa war immer noch schockiert. „Ist irgendetwas geschehen?“
    „Du musst es jetzt erfahren. Aber ich bitte dich, sag es noch nicht deiner Familie! Es würde sonst Panik im Dorf ausbrechen.“
    „ Ich verspreche es, Vater.“
    „ Es ist jetzt sicher, die Moslems werden kommen, um uns Alle zu töten und uns unser Land und unsere ganze Habe wegzunehmen.“
    Isa drehte sich um, er atmete tief ein. Er schloss seine Augen und drückte seinen Oberkörper nach unten, als würde er

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