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Liebe und Völkermord

Liebe und Völkermord

Titel: Liebe und Völkermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Imran
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aufbrechen.“
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     

 
    Fatima
     
     
    Der humpelnde Karim band die Zügel seines schwarzen Rosses an den Baumstamm. Er hatte seine beiden Gefährten Abdul und Raschid mit einer Ausrede abgewimmelt, er hatte ihnen gesagt, er würde seinen Onkel in Mardin besuchen.
    Muhammad saß auf einem trapezförmigen Felsen. Vor ihnen war die weite und ebene Wüste. Die Berghügel waren von hier aus gut zu sehen, bisweilen trieben sich dort Männer herum, manche von ihnen waren Spitzel der Türken, von hier aus aber konnte der Beobachter sie gut erkennen. Des Aghas Blick durchstreifte den Bergkamm. Dort befand sich kein Mensch. Obgleich Karim bewusst war, er bräuchte einen Gehstock, benutzte er keinen, denn mit einem Gehstock hätte er wie ein alter Mann ausgesehen. Er wollte in Wahrheit vor den Frauen nicht andeuten, er sei kein echter Mann mehr. Er ging oft in die Bordelle von Mardin und Dijabakir. Mit seinen 25 Jahren war er immer noch nicht verheiratet.
    Als er seinen alten Freund dort sitzend und grübelnd sah, wusste er, dies war kein gutes Omen. Muhammad vertraute nur ihm seine persönlichen Probleme an. Und er suchte nur bei ihm Rat. Karim war ein guter Zuhörer. Er war ruhig, doch eigentlich kein introvertierter Mensch. Er beobachtete seit seiner frühen Jugend die Menschen in seiner Umgebung. Er hielt sich stets abseits und analysierte ihre Mimik und Gestik und dachte über die Gründe ihrer Taten nach. Das machte ihn zu einem guten Menschenkenner.
    Er setzte sich auf den Felsen, nur eine Elle entfernt von dem anderen und tiefer gelegen, hin. Als er mit seinem Gesäß auf den Stein kam, stöhnte er auf. Immer wenn er sich hinsetzte, ganz gleich worauf, schmerzten seine Wirbelsäule und seine Oberschenkel.
    Der Agha schaute ihn kurz mitleidsvoll an, doch holten ihn seine persönlichen Sorgen wieder ein.
    „ Ich bin mir sicher, du wirst eines Tages über ihren Tod hinwegkommen. Ich kann mir gut vorstellen, wie du dich fühlst.“
    „ Es ist nicht nur das. Die Türken haben mir aufgetragen, alle Aramäer auszulöschen. Und ich kann nichts dagegen machen.“
    „ Es gab doch öfters solche Befehle von der Regierung. Früher oder später wäre es doch sowieso zu diesem Ende für diese Christen gekommen. Manche Dinge sind schon vor unserer Geburt festgesetzt worden und wir müssen uns dem fügen.“
    „ Ich habe diese Menschen gesehen und ich kann sagen, sie sind nicht viel anders als wir. Du kennst doch auch die Geschichten, die sie uns als Kinder heimlich erzählt haben.“
    „ Ja, dass wir angeblich einst auch Aramäer gewesen sind.“
    „ Dieser Junge damals wollte tatsächlich auf mich schießen. Irgendjemand aus östlicher Richtung hat auf mich geschossen. Es muss einer von ihnen gewesen sein. Aber, ich habe mich in all der Zeit gefragt, wie ich denn in ihrer Lage gehandelt hätte. Und, freilich, ich hätte genauso gehandelt. Und sieh dir an, meine Frau wurde ermordet. Es muss eine Intrige gegen mich geschmiedet worden sein. Meine eigenen Volksbrüder haben meine geliebte Frau ermordet. Nun denke ich wieder darüber nach und komme ebenfalls zum Entschluss, ich hätte wohl auch so gehandelt wie sie.“
    „ Nein! Das stimmt nicht. Wir Kurden halten immer zusammen, ganz gleich, was kommen mag, und ganz gleich, wie ungerecht einer den anderen behandelt oder wie groß die sozialen Unterschiede sind. Ich glaube nicht, dass ein Kurde deine Frau ermordet hat.“
    „ Ich habe Agha Bilad umgebracht.“
    „ Was?“
    „ Ich war nicht ganz bei Sinnen. Ich wollte ihn schon immer töten. Dies war der richtige Zeitpunkt. Es spielt keine Rolle mehr, ob er der Mörder von Aische ist oder nicht.“
    Karim schaute seinen alten Freund immer noch schockiert an, sein Mund stand weit offen. Es wurde in Mardin die Nachricht verbreitet, der Agha sei bei der Jagd schwer verletzt worden und seinen Verletzungen erlegen. Er dachte über Muhammads Lage nach. Nach und nach konnte er ihn verstehen. Muhammad hatte die große Liebe seines Lebens verloren. Er war ausgerastet. Dann kam Karim zur Einsicht, in seiner Lage hätte er wohl genauso gehandelt. Er wurde wieder gelassen. „Er war sowieso schon zu alt.“
    „Er hatte eine Frau, seine zweite Frau, Fatima. Ich habe dir einmal von ihr erzählt.“
    „ Die Vollverschleierte, ja, ich erinnere mich.“
    „ Ich glaube, ich habe es für sie getan.“
    „ Wie meinst du das denn?“
    „ Er hat sie schlecht

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