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Liebe und Völkermord

Liebe und Völkermord

Titel: Liebe und Völkermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Imran
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schönste Blume auf der Welt, ihr einziges Kind, war tot. Sie weinte. Sie fragte ihn, warum er sie denn nicht benachrichtigt hätte. Er sagte, die Ereignisse hätten sich mit dem Tod des Agha Bilad und seiner Ernennung zu seinem Nachfolger überschlagen. Es tue ihm alles leid.
    Als Farida am Mittag den prächtigen Innenhof ihres Hauses betrat, stand ihr Mann Mehmet oben in der Säulenhalle des ersten Stockwerkes und bemerkte sogleich am Gesichtsausdruck seiner Frau, es müsste sich irgendetwas Schlimmes ereignet haben.
    Als er unten bei ihr ankam und sie ihm vom Tod ihres Kindes erzählte, fiel er beinahe in Ohnmacht. Farida rief einen Diener herbei. Er stützte seinen Herrn. Er legte ihn auf eine weiche Matte auf der rechten Seite des Hofes und holte ihm kaltes Wasser. Mehmets körperliche Verfassung besserte sich sofort.
    Seine Frau setzte sich auf den Boden neben ihm hin. Sie verzog ihre Miene. „Dieser Bastard hat unsere Tochter umgebracht!“
    Er keuchte und schaute sie ungläubig an. „Was redest du da?“
    „Er hat sie ermordet. Ich weiß es. Das letzte Mal, als sie hier war, hat sie mir erzählt, wie schlecht er sie behandelt. Sie beichtete mir alles. Sie war so unglücklich. Sie sagte mir sogar, sie würde ihn gerne umbringen. So sehr hat sie ihn gehasst.“
    „ Ich dachte immer, sie hätten sich geliebt. Muhammad hat es mir gegenüber immer beteuert.“
    „ Sie konnte es dir nicht erzählen. Sie hatte zu viel Angst vor ihm.“
    „ Meine geliebte Tochter, Aische. Wer wird nun mein Erbe übernehmen?“
    Tränen traten aus seinen Augen hervor. Er hielt seine linke Hand vor sein Gesicht. Farida starrte grimmig. Sie war entschlossen, irgendetwas gegen den Mörder ihrer Tochter zu unternehmen.
    „Er wusste, was er tat. Alles wird ihm zufallen. Wir haben doch sonst niemand, dem wir unsere Habe vererben können.“
    „ Nein, dieser Mistkerl wird nichts von mir bekommen. Jetzt leuchtet mir auch ein, warum sie nie schwanger wurde in all der Zeit.“
    „ Er wird seine gerechte Strafe erhalten.“
    Mehmet hielt inne, er schaute seine Frau an. Fast schon musste er lächeln. Noch nie hatte er seine Frau so draufgängerisch erlebt. In diesem Moment war er stolz auf sie. Er liebte sie mehr denn je. „Er ist der Agha. Es ist zu gefährlich. Das Volk würde uns lynchen, wenn sie davon erfahren würden.“
    „Sie werden die Wahrheit nicht erfahren. Mach dir keine Sorgen. Ich erledige das schon.“
    Obgleich sie diesen Mann schon seit 35 Jahren kannte und er schon seit 30 Jahren ihr Lebensgefährte war, konnte sie ihm nicht die ganze Wahrheit anvertrauen. So machte sie sich sogleich nach dieser Unterredung mit Mehmet zum bescheidenen Haus ihrer Schwester Marjam auf. Marjam wohnte etwa zwei Kilometer von ihrem Haus entfernt. Sie hatte einen türkischen Offizier geheiratet, Yussuf Ali. Seine Zukunft war sehr vielversprechend. Er wurde vor zehn Jahren nach Konstantinopel abkommandiert und diente seitdem an verschiedenen Orten des Reiches. Selten war er zuhause. Nach fünf Ehejahren stellte sich Yussufs wahrer Charakter heraus. Er war ein Trinker und Spieler. Er hatte einen großen Teil seines Vermögens verspielt.
    Marjam war eine unglückliche Frau. Sie hatte diesem Mann ihre Jugend geopfert. Einst war sie eine der schönsten Frauen Mardins, nun, mit 52 Jahren, war sie eine Frau mit vielen Falten im Gesicht. Nichts von ihrer einstigen Schönheit war noch zu sehen.
    Trotz der schlechten Eigenschaften ihres Mannes hatte er in seinen Augen eine sanfte Art an sich, weswegen sie ihn liebte und ihm treu blieb. Ihr wurden zahlreiche Affären mit jungen Männern, Tagelöhnern, Hausdienern und Söldnern, nachgesagt, doch nichts von alldem war wahr. Auch dieser Punkt löste bei ihr Depressionen aus und hatte sie schnell altern lassen.
    Wenn es überhaupt noch einen Menschen gab auf Erden, welchem Farida absolut vertrauen konnte, dann war es ihre Schwester Marjam. Einst waren sie Konkurrentinnen, doch diese Zeiten waren längst vorbei und an die Stelle von Neid und Eitelkeit trat nun Mitleid und gegenseitiges Verständnis.
    Sie saßen im schmalen Wohnzimmer des Hauses gegenüber voneinander. Marjam bot ihr Tee an, doch sie lehnte ab. Farida gingen den ganzen Tag lang schon die Bilder ihrer ermordeten Tochter durch den Kopf. Sie konnte an nichts Anderes mehr denken. Sie wollte Rache für das Blut ihrer Tochter und den ihr angetanen Schmerz.
    Ihre Schwester fiel in Ohnmacht, als sie die tragische Nachricht erfuhr. Farida lief in

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