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Liebe und Völkermord

Liebe und Völkermord

Titel: Liebe und Völkermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Imran
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Mal in ihrem Leben geriet sie in Rage. Bisher hatte noch nie jemand Anderes als ihr Vater und ihr nun seliger Ehemann sie unverschleiert gesehen. Und noch nie in ihrem Leben hatte sie Menschenblut gesehen.
    Ihr Leben war nun auf den Kopf gestellt. Hatte sie doch einen Plan gehabt, nämlich die erste Frau des Aghas zu werden, ihren Einfluss auf ihn zu vergrößern und damit indirekt Macht auszuüben, so war dieser Plan unerwartet vereitelt worden. Nun musste sie umdenken. Doch was sollte sie tun? Bisher hatten immer ihre Eltern ihr den Weg gewiesen und sie hatte stets gehorcht. Das war der einfachste Weg gewesen. Jetzt aber war sie eine verlassene Frau. Sie musste unabhängig von irgendeinem Menschen handeln.
    Der Schleier lag immer noch auf ihrem Nachttisch. Sie saß auf dem Rand des Bettes auf der linken Seite, ihr Rücken gekrümmt, vorgebeugt, ihre Hände an ihrer Stirn. Ihr Haar lag offen nach hinten, es war glatt und glänzte durch den durch das kleine Fenster auf der rechten Seite des Zimmers herein strahlenden Sonnenstrahl.
    Sie hatte den Schuss gehört und als Muhammad, mit der Waffe in der Hand, in der Tür des Zimmers stand, erschrak sie und dachte, er würde sie erschießen. Doch er hatte es nicht getan. Sie dachte nach, warum. Den Hausdiener und Chatune hatte er getötet.
    Der Horror erwartete sie, sobald sie ihr Zimmer verlassen sollte. Sie wagte es nicht. Sie zitterte vor Angst. Und zum ersten Mal in ihrem Leben schwitzte sie aus allen Poren. Selbst in der wildesten Nacht mit Bilad hatte sie nicht so stark geschwitzt.
    Sie dachte und dachte nach, was zu tun sei. Doch ihr fiel nichts ein. Sollte sie zu ihren Eltern gehen? Aber was war mit diesem Muhammad? Sie fürchtete sich vor seiner Rache, wenn sie irgendjemandem von den Morden erzählen würde. Sie war geistig verwirrt und verlor beinahe ihren Lebenswillen. Sie trank kein Wasser mehr und aß nichts mehr. Auf ihrem Nachttisch stand noch ein voller Becher von Wasser. Sie rührte ihn nicht an. Daneben lag ein Holzteller, darauf noch einige gefüllte Weinblätter. Auch diesen rührte sie nicht an.
    Sie legte sich zurück ins Bett und deckte ihren ganzen Körper zu, auch ihr Haupt. Am liebsten wäre sie geflohen. Nie wieder wollte sie in diese Gegend zurückkommen. Sie wollte sich loslösen von Allem und Jedem.
    Sie schlief ganze zwei Tage lang. Als sie aufwachte, kam sie wieder zu Kräften. Ihr Verstand funktionierte wieder einwandfrei.
    Sie sprang aus dem Bett und zog sich ihr blaues Kleid an, ließ aber den Schleier auf dem Nachttisch. Hoffnung kam wieder in ihr auf. Irgendwie musste sie fort von diesem Ort. Sie war zwar durstig und hungrig, doch rührte sie den Becher und das Essen wieder nicht an. Der Fluchtgedanke trieb sie an und stärkte ihren Körper wie 2000 Kalorien.
    Sie eilte zur Tür und öffnete sie vorsichtig. Sie lugte aus der Öffnung und schaute in den Korridor. Schleichend betrat sie den Korridor. Die Tür des Zimmers von Chatune stand halboffen. Kein Geräusch war zu hören, weder irgendeine Menschenstimme von innen oder außen noch die irgendeines Tieres von draußen. Furchtsam schritt sie zur Zimmertür ihrer Erzrivalin. Als sie sie erreichte, drückte sie mit halber Kraft gegen die Tür. Sie schlich sich in das Zimmer.
    Fatima hielt ihre Augen geschlossen. Dann wagte sie einen kurzen Blick. Fürchterlich! Die dicke Frau lag tot auf ihrem Bett, auf der linken Seite, ihre Unterschenkel auf der Unterseite und ihre Füße auf dem Boden. Dieses grausame Schicksal hatte sie ihrer Erzrivalin nicht gewünscht. Obgleich sie religiös erzogen war, war sie nicht fromm. Sie war eine Agnostikerin. In diesen Momenten zwischen Leben und Tod dachte sie keinen einzigen Augenblick an Gebete.
    Sie schlug vorsichtig ein Bein nach vorne, streckte ihren rechten Arm aus zur Tür und zog sie zurück. Dann drehte sie sich um und betrachtete die Wohnzimmertür. Sie war geschlossen. Es war so dunkel in diesem Raum. Es musste wohl schon abends sein. Sie hatte das Gefühl für die Zeit verloren. Sie schlich sich zur Tür und schlug kräftig gegen sie, doch sie öffnete sich nur einen kleinen Spalt breit und knallte wieder zu. Sie versuchte es erneut und wieder knallte die Tür von selbst zu. Da war also irgendetwas im Wege. Sie hatte schon eine schreckliche Vorahnung, was es sein könnte.
    Sie schmiegte ihre rechte Körperseite an die Tür und drückte mit all ihrer noch verbliebenen Kraft dagegen. Als die Tür zu einem Viertel offen stand, sprang sie durch

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