Liebe und Völkermord
Einige Muslime gingen an der Moschee vorbei, sahen ihn dort oben und grüßten ihn. Ihnen kam es schon sehr merkwürdig vor, doch fragten sie ihn nie, warum er dort verweilte.
Seine Augen streiften durch das Dorf und richteten sich dann wieder auf den Hügel der Nordseite des Dorfes. Da tauchten aber immer noch keine Soldaten auf. Viele Gedanken gingen ihm durch den Kopf. Womöglich hätten die Türken den Überfall auf die Christen abgeblasen. Oder sie hätten sich eine andere Strategie ausgedacht und waren nun an einem anderen Ort.
Enttäuscht stieg er die Stufen des Minaretts herab. Heute würde wohl nichts geschehen, dachte er. So ging er wieder nach Hause. Er setzte sich in die rechte Ecke seines Wohnzimmers. In seiner linken Hand spielte er mit seiner Misbaha. Anscheinend stellte sein Gott ihn auf eine harte Probe. Er musste sich weiter in Geduld üben.
Nurdschan betrat das Zimmer. Sie war noch schläfrig. Seine Frau war nicht fromm und betete, wenn überhaupt, nur einmal am Tag, das war immer am Mittag. Ihren Ehemann störte dies nicht.
Sie betrachtete ihn und merkte sofort, irgendetwas an ihm stimmte nicht. „Warum hast du heute den türkisfarbenen Turban aufgesetzt? Ist heute irgendein besonderer Anlass?“
„Nein, ich wollte ihn nur wieder tragen. Mehr nicht. Geh, mach mir einen Tee!“
Er log, das konnte sie an seinen Augen erkennen. Doch sie fügte sich stets seinem Willen und eilte in die Küche.
Nach einigen Minuten kam sie mit der Teekanne in ihrer rechten und einem Becher in ihrer linken Hand wieder. Sie legte die Kanne und den Becher vor ihm hin. Er selbst sollte sich den Tee in den Becher schütten. Dies tat er sogleich.
Sie setzte sich gegenüber von ihm und beobachtete ihn. Das tat sie oft, doch heute machte sie es intensiver. Musa nippte an dem Becher, schaute bisweilen seine Frau an, sah, wie sie ihn angaffte, nippte wieder am Becher und spielte dann wieder mit seiner Misbaha. Im Augenwinkel seines rechten Auges konnte er sehen, sie gaffte ihn immer noch an. Nun holten ihn die Erinnerungen ihrer ersten Ehejahre ein. Jene Jahre waren die besten seines Lebens gewesen. Er hatte mehrmals am Tag mit ihr geschlafen. An manchen Tagen sogar so oft, er ging nicht mehr aus dem Haus heraus. Doch diese Zeiten waren längst vorbei und er hatte nun schon seit fünf Jahren nicht mehr mit Nurdschan geschlafen. Das Verlangen danach in ihm war nach wie vor groß, doch sie hatte ihren Reiz verloren und er empfand keine Lust mehr dabei.
Doch seltsamerweise jetzt, in diesem Moment, wo sie ihn so merkwürdig beobachtete, spürte er, wie die Lust in ihm wiederbelebt wurde. Seine Augen wanderten von ihrem Unterkörper zu ihren Brüsten. In diesem Moment wollte er sie nehmen. Es war nur ein kurzer Moment. Sie merkte es nicht einmal. Ihr seinen Wunsch mitzuteilen, dazu fehlte ihm der Mut, er traute sich nicht, es ihr zu sagen. Nach seiner Einschätzung hätte sie ihn abgewiesen. Sein Glied war zwar noch immer in erigiertem Zustand, doch wandte er sich wieder seiner Misbaha zu und schon nach nur wenigen Augenblicken war die Lust verschwunden.
„ Doch, heute ist ein besonderer Tag. Heute nämlich wird etwas Großes geschehen hier in unserem Dorf.“
„ Was wird geschehen?“
Gerade wollte der Imam nach Luft schnappen und seiner Frau von dem geplanten Pogrom an den Aramäern erzählen, da vernahmen sie unerträglichen Lärm von draußen. Musa sprang auf und rannte aus dem Haus heraus. Draußen sah er, wie die Aramäer vor ihren Häusern standen und ihre Flucht vorbereiteten. Er freute sich, also war es nun endlich soweit. Jetzt machte er sich nur Sorgen darüber, ob die muslimischen Truppen rechtzeitig die Aramäer ergreifen würden. Er trat einen Schritt zurück und stand mit dem Rücken direkt vor seiner Haustür. Er duckte sich und beobachtete weiterhin das Treiben der Christen.
Dann endlich sah er sie. Es waren die heiligen Soldaten des Propheten Muhammad, direkt vom Himmel herabgestiegen, welche er da vom Hügel der Nordseite heranstürmend sah. Er kicherte, laut lachen wollte er nicht, er befürchtete, einer der Aramäer würde ihn deswegen erschlagen.
Die Tür hinter ihm ging auf, doch er ließ Nurdschan nicht durch. Er befahl ihr, wieder ins Haus zu gehen.
Die Aramäer rannten schreiend davon. Die Soldaten hatten nun die Ebene des Dorfes erreicht und metzelten jeden, Männer, Frauen und Kinder, nieder, welcher sich in ihrem Weg befand.
Der Imam verzog seine Miene, denn er sah, wie die Soldaten
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