Liebe Unerwuenscht
zusammenbrechen.«
»Sie verstehen nicht. Ich . . .« Jennifer hielt inne, weil Caroline sich unerwartet neben sie auf die Bettkante setzte und ihre Hand nahm. Die plötzliche Nähe der Ärztin und das zunehmende Schwächegefühl dämpften Jennifers Widerstand.
»Doch, ich verstehe.« Caroline lächelte beruhigend. »In Ihrem Nacken sitzt ein kiebiger Polizeikommissar, der Sie nicht leiden kann und eine Mordanklage gegen Sie anstrebt. Sie wollen dagegen angehen und deshalb so schnell wie möglich hier raus. Aber, abgesehen von der Wache, die das verhindert, für einen Kampf muss man bei Kräften sein!«
Jennifer blinzelte verwirrt. Die Ärztin hatte sich durch Sasse offenbar nicht beeinflussen lassen, bei dem Resümee des Gespräches mit ihm. Jennifer schwieg, sah Caroline nachdenklich an. Die strahlte absolute Ruhe aus.
»Sie haben recht«, sagte Jennifer schwach. »Aber jemand muss meinen Anwalt benachrichtigen. Würden Sie das für mich tun?«
»Wie ist die Nummer?« fragte Caroline schlicht.
Jennifer nannte sie.
Caroline notierte die Zahlen in ihrem Kalender. Dann stand sie auf. »Darf ich jetzt die Infusion wieder anlegen?«
Jennifer nickte. Caroline nahm das Desinfektionsmittel, welches die Schwester stehengelassen hatte, eine frische Nadel, setzte sich wieder neben Jennifer und nahm deren Arm. Sorgfältig fühlte sie nach einer geeigneten Einstichstelle, desinfizierte sie und führte die Nadel langsam in die Vene.
»Haben Sie keine Angst, dass Sie vielleicht einer Mörderin helfen?« fragte Jennifer plötzlich. Trotz der schwachen Stimme lag eine gewisse Provokation in ihrer Frage.
Caroline sah Jennifer offen an. »Für mich als Ärztin spielt es keine Rolle, was ein Mensch getan hat, solange er mein Patient ist.«
»Ich meine auch nicht Ihre ärztliche Hilfe, sondern . . . Ihre Freundlichkeit.«
Caroline stand auf. »Jeder Mensch hat auch das Recht, einen Anwalt hinzuzuziehen, denke ich.«
»Und ich denke, Sie als Ärztin zu haben, ist mein Glück. Sie sind der Lichtblick in meiner momentan eher düsteren Lage.«
Caroline blinzelte irritiert. Damit konnte sie nichts anfangen. Was meinte Jennifer Feiler? Höchstens, dass . . . »Sie verstehen mich falsch. Ich habe nicht gesagt, dass ich Sie für unschuldig halte. Ich halte Sie für . . . für . . .« Caroline merkte, wie sie sich verhaspelte und hielt inne. »Sie sind einfach nur meine Patientin«, beendete sie dann den Satz.
»Und wenn ich es getan hätte?« fragte Jennifer. Wieder lag dieser leicht provokative Ton in ihrer Stimme.
»Meinen Sie nicht auch, es gibt für jeden Menschen Umstände, die ihn zum Äußersten treiben?«
Caroline sah Jennifer schockiert an. War das eine Art Geständnis? Oder einfach nur eine rein rhetorische Frage? Betreten verließ sie das Zimmer.
Draußen auf dem Gang verhielt Caroline einen Moment. Jennifer Feiler eine Mörderin? , fragte sie sich erneut. Doch trotz Jennifers recht aggressiven Auftritts und der merkwürdigen Fragen am Schluss tat Caroline sich schwer, das zu glauben.
Von Carolines Anruf bei Jennifers Anwalt bis zum Erscheinen des hochgewachsenen, athletischen Mannes mit grauem Schläfenhaar in Carolines Büro verging kaum eine halbe Stunde.
»Frau Doktor Malin? Mein Name ist Heilmann. Sie haben mich angerufen.«
Caroline erhob sich. »Sie sind der Anwalt von Frau Feiler?«
»Einer ihrer Anwälte. Können Sie mich zu ihr bringen?«
Einer? Wieviel Anwälte hatte die Frau? Caroline Schoss automatisch der Gedanke durch den Kopf, dass Jennifers Fragen vorhin vielleicht doch ernstgemeint sein konnten. »Ich bringe Sie zu ihr. Aber eigentlich können Sie das Zimmer nicht verfehlen. Ein Beamter sitzt dort und bewacht Ihre Mandantin.«
Heilmann lächelte breit. »Ja, Kommissar Sasse hat einen Narren an Frau Feiler gefressen, wenn man es so ausdrücken will.«
Wie jetzt? Waren die zwei mal zusammen gewesen und Sasse so angepiekst, weil Jennifer sich von ihm getrennt hatte? Oder wollte er was von ihr, und sie ließ ihn permanent abblitzen? Caroline schüttelte den Kopf. Nein. Sasse sprach von »aus der Verantwortung ziehen«. Das klang eigentlich eher nach einer Art enttäuschtem Verfolgungswahn. Aber was geht es dich an, Caroline?
Sie brachte Heilmann bis zur Tür von Jennifers Zimmer, öffnete sie und ließ ihn eintreten.
»Frau Feiler. Wie geht es Ihnen?« begrüßte Heilmann seine Mandantin.
»Wie Sie sehen, bin ich gerade etwas eingeschränkt«, lautete die Antwort. Caroline
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