Liebe Unerwuenscht
einigermaßen passabel aussehende Frau. Zur Not die Bedienung. Wäre doch gelacht.
Jennifer stand entschlossen auf.
Fünf Minuten später saß sie im Auto, fuhr durch die Straßen – und fragte sich kopfschüttelnd: Was tue ich? Ist das mein Ernst? Eine Frau aufgabeln als Therapiemaßnahme? So weit war es bereits?
Jennifer, du brauchst einen Psychiater.
Sie wendete bei nächster Gelegenheit, fuhr zurück ins Büro, wo sie sich die Pläne für die neue plastische Chirurgie des Krankenhauses vornahm. Denn das war eine Sache, die wichtig war. Darum musste sie sich kümmern. Ihr durcheinandergeratenes Innenleben würde sich von ganz allein wieder stabilisieren.
Caroline verließ nach dem Gespräch mit Jennifer verärgert die Kantine. Jennifers Dickfelligkeit wurmte sie. Wie konnte sie einfach so zwei Abteilungen schließen? Nur, damit ihre Zahlen wieder stimmten. Jennifer hatte doch gar keine Ahnung, was sie damit anrichtete. Mit ihrem brachialen Stil verschreckte Jennifer alle. War ihr das nicht klar? Oder war Jennifer so sehr von sich überzeugt, dass sie glaubte, sie sei auf den Kooperationswillen der Belegschaft nicht angewiesen?
Wenn du dich da mal nicht täuschst, Jennifer! Stur sein kannst nicht nur du! Das kann ich dir gern einmal zeigen. Du willst es ja offensichtlich so haben.
Caroline atmete tief durch, während sie mit langen Schritten den Wartebereich der Unfallstation durchquerte. Ihr Blick glitt flüchtig über die Wartenden. Nanu , dachte sie und verlangsamte ihr Tempo. Die Frau dort, das war doch . . .
»Sarah? Was machst du denn hier?« Dann registrierte Caroline Sarahs desolaten Zustand. Zerrissene Jacke und Hose, Blut, das an diversen Stellen durch den Stoff sickerte. »Oh je, was ist passiert?«
»Kleiner Unfall mit dem Fahrrad.« Sarah schaute unglücklich drein.
Caroline legte ihre Hand auf Sarahs Arm. »Na, dann komm mal gleich mit.«
»Ich bin aber vor der Dame dran«, meldete sich der Mann neben Sarah.
»Was fehlt Ihnen denn?« fragte Caroline.
»Bin von der Leiter gefallen. Hab mir was angeknackst, glaub’ ich.«
»Mein Kollege wird sich sofort um Sie kümmern. Die junge Frau hier hat es etwas schlimmer erwischt.«
Caroline winkte Sarah, ihr zu folgen. »Komm.«
Sarah ging mit Caroline ins Behandlungszimmer.
»Setz dich auf die Liege. Ich werde den Stoff von den Wunden ablösen und dann die Wunden reinigen. War ja ein ganz schöner Sturz, wie es aussieht.«
»Ein LKW hat mich gestreift. Ist kein Witz! Der Fahrer hat es gar nicht gemerkt. Ist einfach weitergefahren.«
»Konntest du dir die Nummer des LKW merken?«
»Ich hatte andere Sorgen.« Sarah zuckte unter Carolines Fingern, die am Stoff hantierten, leicht zusammen. »Aua.«
»Schon gut«, beruhigte Caroline Sarah.
Sarah biss die Zähne zusammen. »Wenigstens hatte ich Glück im Unglück. Ein Taxifahrer hat den Unfall gesehen und mich hierhergebracht«, erzählte sie weiter.
Caroline löste vorsichtig die Kleidungsstücke von Sarahs Wunden, so dass Sarah sie ausziehen konnte. Die zutagetretenden Schürfwunden waren sehr großflächig.
»Auweia. An den Schmerzen wirst du die nächsten Tage deine wahre Freude haben. Am besten, du richtest dich gemütlich auf deinem Sofa zu Hause ein. Dein Kühlschrank ist hoffentlich voll.«
»Ehrlich gesagt, nein.«
Caroline zwinkerte Sarah zu. »Vielleicht kann Beatrice dir unter die Arme greifen, dich ein wenig pflegen.«
Sarah seufzte. »Beatrice? Ich weiß nicht. Ich glaube nicht.«
»Warum nicht?«
»Sie hat genug damit zu tun, ihre Story zu schreiben. Das ist eine große Sache.« Während Caroline die Wunden abdeckte erzählte Sarah, was sie und Beatrice herausgefunden hatten. »Beatrice wird in den nächsten Tagen mit der Geschichte im Mittelpunkt der Öffentlichkeit stehen. Da störe ich bloß«, meinte sie zum Schluss.
»Na hör mal, schließlich hast du ihr doch geholfen.«
»Ach, das war doch nichts«, wehrte Sarah bescheiden ab. »Im übrigen, egal was ich auch immer tue, werde ich nie so beeindruckend oder präsentabel sein wie Jennifer.«
Caroline blickte auf. »Wie kommst du jetzt darauf?«
Sarah schaute verdrießlich drein. »Ich will damit sagen, Beatrice ist für mich unerreichbar. Sie ist eine erfolgreiche, nun auch noch gefeierte Journalistin. Sie ist Frauen wie Jennifer gewöhnt, die ebenso erfolgreich sind. Ich dagegen . . .«
Caroline schmunzelte. »Du bist ein Fuchs.«
»Hä?«
»Wie der in Äsops Fabel«, erklärte Caroline. »Ein Fuchs
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