Liebe Unerwuenscht
denken, was sie wollte. Vielleicht kam sie ja eines Tages dahinter, dass die beschlossenen Maßnahmen die Existenz des Krankenhauses sicherten. Aber dann würde sie, Jennifer, schon nicht mehr hier sein. Nach Ablauf einer gewissen Zeit, wenn die Übergangsphase abgeschlossen war, würden andere ihre Aufgaben übernehmen. Sie würde sich neuen Projekten zuwenden. Vielleicht war ja sogar mal eins darunter, bei dem man sie nicht als unwillkommenen Eindringling betrachtete.
»Gratuliere, du bist wieder ganz die Alte.« Caroline stand vor Jennifer.
»Danke«, erwiderte Jennifer kühl.
»Ist das dein Ernst?« fragte Caroline. Sie setzte sich.
Jennifer sah sie fest an. »Ich weiß, in deinen Augen bin ich ein Monster, weil ich harte Entscheidungen treffe. Aber das gehört zu meinem Job. Und auch wenn es für dich so aussieht, ich mache es mir nicht leicht mit meinen Entscheidungen.«
»Gib es doch wenigstens zu«, sagte Caroline bitter. »Du wolltest das Krankenhaus von Anfang an kommerzialisieren. Du hast nur auf die passende Gelegenheit dazu gewartet.«
Jennifer funkelte sie ärgerlich an. »Aber sicher. Ich habe auch veranlasst, dass die Löhne zurückgehalten wurden.«
»Hausfeld meint, es muss sich um einen Fehler in der EDV handeln.«
»Blödsinn. Warum hat dann die Buchhaltung keinen Vermerk in die Bilanz gemacht?«
»Es ist einfach vergessen worden. Das kann doch passieren.«
Jennifer wischte Carolines Erklärung mit einer ärgerlichen Handbewegung vom Tisch. »Man hat die Zahlen frisiert. Das ist doch eindeutig. Aber am Ende ist es auch völlig egal, wie es dazu kam. Ich muss darauf reagieren. Und das tue ich wie angekündigt.«
»Denkst du eigentlich nie an die Leute, die du rausschmeißt? Was aus denen wird? Wie das Leben der Familien sich dadurch ändert? Du hättest genug Geld, das alles zu verhindern.«
»Dieses Geld habe ich, weil ich eben nicht daran denke. Ich denke an das Funktionieren von Einheiten. In diesem Fall die Einheit Krankenhaus. Wohlgemerkt subventionsfreies Funktionieren. Denn nur so hat die Sache Zukunft. Für ihre Familien sind die Leute selbst verantwortlich. Ich kann mich nicht um alles kümmern. Übrigens glaube ich nicht, dass umgekehrt die Leute sich um mich sorgen. Welche finanziellen Verluste zum Beispiel diese falschen Zahlen für mich bedeuten. Sie sagen sich wahrscheinlich: Die hat ja genug Schotter. Es trifft keinen Armen. Wenn ich das einfach hinnähme, wäre ich längst pleite. Oder glaubst du, das passiert mir zum ersten Mal? Und wenn ich pleitegehe, verlieren mehr Leute ihren Job als ein paar Pfleger und Krankenschwestern.«
Caroline erhob sich. »Wie gut, dass du das große Ganze siehst. Wo wäre die Welt nur ohne dich.« Sie ging.
Jennifer sah ihr nach, seufzte. Tja, das war ja zu erwarten.
Zurück im Büro wurde Jennifer bereits von Beatrice erwartet, die darauf brannte zu erzählen, was Sarah und sie erlauscht hatten.
»Das Gespräch zwischen Birch und der Dalberg, deine Zeugenaussage zum Tathergang – die Story ist niet- und nagelfest«, freute Beatrice sich. »Wir haben diesen Axel gefunden. Also natürlich nicht ihn, sondern seine Identität. Axel Sander. Kam vor achtundzwanzig Jahren unter bis heute ungeklärten Umständen ums Leben. Man fand ihn in einer Baugrube, mit diversen Hautabschürfungen, Knochenbrüchen und einem Hämatom am Hinterkopf, das die Todesursache war. Man fand in der Nähe der Baugrube auch Spuren eines Kampfes, konnte aber nicht feststellen, ob beide Dinge, dieser Kampf und Sanders Tod, miteinander in Verbindung standen. Unfall oder Totschlag? Das wurde nie geklärt.«
»Das bedeutet, Frey, Birch und Dalberg haben diesen Axel Sander da hineingeworfen?« fragte Jennifer fassungslos.
»Oder er ist gefallen, keine Ahnung. In jedem Fall haben die drei ihn vermöbelt. Und falls es ein Unfall war, dass Sander in die Baugrube fiel, keine Hilfe geholt. Ich denke, nachdem du Frey darüber aufgeklärt hattest, wem er seinen Ruin verdankte, drohte er Birch, die Geschichte von damals publik zu machen. Frey brauchte um seinen Ruf nicht mehr bangen. Der war ja eh ruiniert. Aber so konnte er Birch dessen Verrat heimzahlen.«
»Und er hätte dabei Dalberg mitgerissen«, ergänzte Jennifer.
»Genau«, bestätigte Beatrice. »Keine angenehme Vorstellung für Frau Dalberg, nehme ich an. Ihr Liebhaber pleite. Und beide Ersatzmänner gesellschaftlich ruiniert. Wenn Birch oder ihr Mann ausfallen würde, hätte sie den jeweils anderen. Aber beide?
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