Liebe Unerwuenscht
kam an einer Mauer mit einem Weinstock vorbei. Er war hungrig, und die Trauben am Weinstock waren prall und saftig. Der Fuchs sprang hoch, schnappte nach den Trauben, konnte sie aber nicht erreichen. Immer wieder versuchte er es. Doch alle Mühe war umsonst. Die Trauben hingen einfach zu hoch. Da sagte der Fuchs: ›Die Trauben sind mir viel zu sauer‹ und ging davon.«
Sarah schwieg verdattert. »Du meinst, ich gebe vorschnell auf?« fragte sie schließlich.
»Vorschnell und vor allem unbegründet. Der Fuchs hätte sich nur eine Leiter holen müssen.«
»Er war ein Fuchs!«
»In einer Fabel.«
Sarah kratze sich nachdenklich am Kopf. »Hm.«
»Na gut.« Caroline war fertig. »Du kannst deine Sachen wieder anziehen. Soll ich dir ein Taxi rufen?«
»Ich nehme den Bus.«
»Aber nicht so, wie du aussiehst. Die Leute rufen ja vor Schreck die Polizei, wenn sie dich sehen.«
»Ich kann mir aber kein Taxi leisten«, gestand Sarah betreten.
»Gut. Dann fahre ich dich schnell.«
»Das ist doch nicht nötig«, wehrte Sarah ab. »Das macht nur Umstände.«
»Na und wenn schon. Das ganze Leben ist ein einziger Umstand. Warte fünf Minuten. Ich hole meine Autoschlüssel.«
Damit ließ Caroline Sarah stehen.
Die Fahrt dauerte dann doch etwas länger, weil Caroline nicht damit gerechnet hatte, dass es Menschen gab, die am anderen Ende der Stadt wohnten. Was allerdings erklärte, warum Sarah kein Taxi nehmen wollte.
»Da vorn ist es«, sagte Sarah und deutete auf einen mehrstöckigen Altbau. Caroline parkte vor dem Haus.
»Danke fürs Bringen«, sagte Sarah.
»Was ist eigentlich mit deinem Fahrrad?« fragte Caroline.
»Steht noch vor dem Krankenhaus. Ist nicht abgeschlossen, wird aber mit Garantie nicht geklaut werden, so wie es aussieht. Ich hole es in ein paar Tagen.«
»Na dann, gute Besserung.«
Sarah stieg aus. Caroline lächelte ihr noch einmal aufmunternd zu.
Als Sarah im Haus verschwunden war, griff Caroline nach ihrem Handy. Die Auskunft verband sie direkt mit Beatrice’ Apparat in der Redaktion.
»Caroline?« hörte sie deren erstaunte Stimme. »Was gibt es denn?«
»Ich gratuliere zu der Story.«
»Danke, aber dazu ist es noch zu früh. Ich bin gerade erst dabei, den Artikel zu schreiben. Er soll übermorgen erscheinen.«
»Da haben Sie sicher wenig Zeit.«
»Im Prinzip schon. Was ist denn?«
»Sarah hatte einen Unfall . . .« Weiter kam Caroline nicht.
»Was? Wie geht es ihr? Wo ist sie?« fragte Beatrice aufgeregt.
»Es ist nicht so schlimm. Ich habe sie gerade nach Hause gebracht. Ich glaube auch nicht, dass sich die Wunden entzünden.«
»Entzünden?« rief Beatrice erschrocken.
Caroline grinste vor sich hin. Sie hatte ein wenig übertrieben, aber was schadete das schon. »Ich wollte es Ihnen nur sagen, weil Sie doch . . . also es schien mir, dass Sie Sarah mögen, und da dachte ich, ich rufe Sie mal an. Vielleicht können Sie ja morgen mal vorbeischauen, wenn Sie mit Ihrem Artikel fertig sind.«
»Äh ja, sicher . . . der Artikel . . . Sarah . . .«, stammelte Beatrice.
Soviel Aufregung hatte Caroline dann doch nicht auslösen wollen. »Es geht ihr gut, Beatrice. Sicher schläft Sarah erst einmal. Sie sah müde aus.«
»Gut. Danke Caroline, dass Sie mich angerufen haben.« Beatrice legte auf, starrte auf den Bildschirm ihres Computers, auf dem der Cursor blinkte und darauf wartete, dass neue Worte ihn weiterschoben. Aber Beatrice’ Kopf war plötzlich völlig leer. Und das würde so bleiben, bis sie sich davon überzeugt hatte, dass es Sarah wirklich gutging.
Kurzentschlossen speicherte Beatrice den Artikel, schaltete den Computer aus und verließ die Redaktion.
Erst als Sarah ihr die Tür öffnete und auf den ersten Blick ganz heil aussah, fiel die Anspannung von Beatrice ab. »Gott sei Dank«, sagte sie erleichtert.
Sarah schaute Beatrice überrascht an.
»Darf ich reinkommen?« fragte Beatrice.
Sarah trat einen Schritt zur Seite. »Bitte.«
»Caroline hat mich angerufen«, erklärte Beatrice, während sie in den Flur der kleinen Wohnung trat. »Du hattest einen Unfall.«
»Nichts weiter passiert. Nur ein paar kleine Kratzer.«
Beatrice schaute auf Sarahs Arme, wo mehrere etwa zehn Zentimeter große Mullverbände mit Pflaster befestigt waren. Sie deutete darauf. »Kleine Kratzer?«
Sarah ging ins Wohnzimmer. »Ich dachte, du schreibst an deiner Story«, wechselte sie das Thema.
»Mache ich auch«, sagte Beatrice. »Morgen ist Abgabetermin.«
Sarah setzte
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