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Liebe unter Fischen

Liebe unter Fischen

Titel: Liebe unter Fischen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rene Freund
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geholt, um seine Jungen zu ernähren und weiß der Geier, wenn es hier Geier gibt, dann findet man mich vielleicht nie. Ich schreibe ganz bewusst: » mich« und nicht » meine sterblichen Überreste« oder so, denn ich trenne nicht zwischen den Überresten und mir. Es gibt keine Seele und daher auch nichts, was weiterleben kann, es sei denn, als Fuchskacke oder Geierhäufchen, aber ich fürchte, ich schweife ab.
    Was mit meiner Leiche geschieht, ist mir egal. Sie können sie gerne dort liegen und verrotten lassen. Für den Fall, dass ich aus irgendeinem Grund überleben sollte und ergo noch zu retten wäre, verrate ich Ihnen aber meinen Plan: Da ich mich in dieser unwirtlichen, ja geradezu feindseligen Gegend nicht auskenne, und da in der Baracke keinerlei Kartenmaterial zu finden ist, scheint die einzige sinnvolle Fluchtroute an der ehemaligen Straße entlang zu führen, welche von den Sturzfluten hinfort getragen wurde. Akkurat dieser Weg führt freilich über grauenhafte Steilwände, Felsklippen, die Hunderte Meter über den Abgründen klaffen. Da ich weder trittsicher noch schwindelfrei bin, wird meine Flucht wahrscheinlich nicht gelingen. Dennoch, ich muss es wagen. Mir bleibt, nach der Entdeckung, die ich gestern machen musste, keine Wahl.
    Jetzt werden Sie möglicherweise rätseln, welches Grauen diese Entdeckung bergen könne, ob es ein Wolf sei, der um die Hütte schleicht. Oder ein riesiger Braunbär, der mir mit weit aufgerissenem Maul nachläuft. Oder ein Gespenst. Untote vielleicht, Zombies mit blassen, starren Gesichtern, die nachts aus dem See steigen und mich mit Äxten zerhacken oder mit Messern aufschlitzen wollen. Aber nein. SIE werden erleichtert sein. SIE vielleicht. Mir wären die Zombies lieber als das. Also: Gestern, nachdem ich meinen Ziegenkäse mit Oliven gegessen und dazu ein Glas Wein oder zwei getrunken hatte, spazierte ich (fast frohgemut!) zu meinem mittlerweile wieder in altem Glanz erstrahlenden Benz, um mir aus dem Kofferraum die Stange Zigaretten zu holen, die ich vorsorglich (!) mitgenommen hatte. Und was musste ich entdecken: Da war keine Stange Zigaretten. Ich suchte im Fond, unter den Sitzen, beim Reservereifen, unter jeder Abdeckung – nichts.
    Und wissen Sie, liebe Susanne, was das Schlimmste an dieser grauenvollen Entdeckung ist? Dass ich Sie lachen sehe, wenn ich mir vorstelle, wie Sie diese Zeilen lesen. Egal, ob ich nun zerschmettert in einer Schlucht liege oder ganz einfach nur hier verhungert bin – Sie werden zumindest schmunzeln. » Hypochonder und Raucher, das passt nicht zusammen«, haben Sie mir einmal an den Kopf geworfen. Ich finde, es passt sehr wohl zusammen.
    Nachdem ich die ganze Hütte durchsucht hatte, jede Lade, jeden versteckten Winkel, auf der verzweifelten Suche nach Tabak, wobei mir an Nennenswertem nur ein Playboy aus den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts in die Hände gefallen war (Ihr Vater, der Schlingel!), in welchem die Models noch Schambehaarung trugen, schwarz und gekräuselt wie Pudelfell, kauerte ich mich in einen Winkel und dachte darüber nach, wer mir diese Stange Zigaretten gestohlen haben könnte. Dabei überkam mich die Erkenntnis: Ich habe die Stange nie gekauft. Ich hatte vorgehabt, sie zu kaufen, so fest vorgehabt, dass ich es offensichtlich in weiterer Folge gar nicht mehr für notwendig erachtet habe, dem Entschluss auch eine Tat folgen zu lassen.
    Ich will Ihnen die peinlichen Einzelheiten meiner Verzwei fl ung ersparen. Nachdem ich gestern Abend die gesamten Weinvorräte für eine ganze Woche ausgetrunken hatte, fand ich zumindest Schlaf. Umso schlimmer die Entzugserscheinungen des heutigen Tages. Nun gut, ich will Ihnen den Tiefpunkt schildern: Nachdem ich zunächst die Kippen aus dem Aschenbecher meines Autos geraucht hatte, rollte ich mir eine Art Zigarre aus Schilf, Lianenfasern und modrigen Blättern. Auch hier will ich Ihnen die Details ersparen. Nachdem ich die Restbestände meines Medikaments eingenommen hatte (ich schlucke Betablocker, von wegen Hypochonder!), fühlte ich mich zu schwach, um den Husarenritt über die Felswand zu wagen, da mich der Schwindel auch ganz ohne Abgrund quälte. Ich habe mit dem Leben abgeschlossen. Doch ich will dem Schicksal morgen eine Chance geben. Ich werde entweder überleben, ins Tal schreiten und mir in der Gams ein Bier und eine Schachtel Zigaretten kaufen. Oder ich werde als Nichtraucher sterben.
    Mit freundlichen Grüßen
    Fred Firneis

30 . Juni

    ps:
    Die Sonne lacht, hat

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