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Liebe unter Fischen

Liebe unter Fischen

Titel: Liebe unter Fischen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rene Freund
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nachsichtig: » Die Schlange wächst, sie häutet sich. Der Hirsch bekommt jedes Jahr ein prächtigeres Geweih !«
    » Mara – bei mir wird nichts mehr prächtiger !«
    » Vielleicht die Seele, Fred? In meiner Heimat haben wir einen Spruch – erst nach der Blume kommt die Frucht .«
    » Mara, du bist wunderbar .«
    » Würdest du ein Gedicht für mich schreiben ?«
    » Ich kann es nicht. Sorry .«

18 . Juli

    Hallo Susanne,
    heute regnet es. Aber wie es regnet! Ähnlich wie am Tag meiner Ankunft. Ich weiß nicht, ob ich noch lange hier bleibe. Der Herbst lässt grüßen. Ich weiß schon, Sie werden mich jetzt auslachen, 18 . Juli und Herbst. Aber glauben Sie mir, ich kann ihn schon riechen.
    Manchmal habe ich den Eindruck, ich werde ruhig, immer ruhiger, bis ich in der Welt verschwinde. Einfach aufgehe hier in der Natur und weg. Ich fliege mit den Vögeln oder schwimme mit den Fischen. Kein unangenehmer Gedanke.
    Mara wird heute wahrscheinlich nicht kommen. Wenn es so schüttet, kann man keine Fische beobachten. Sie ist wirklich eine Seele von Mensch. Ich habe sie von Herzen gern. Aber glauben Sie nicht, da könnte sich etwas anbahnen. Erstens bin ich – glaube ich – nicht ihr Typ, und zweitens – was soll schon dabei rauskommen? Sie ist eine aufstrebende Wissenschaftlerin, wohnt in der Slowakei, hat andere Freunde, andere Pläne, das wäre alles nur kompliziert. Sie wohnt allein, hat sie mir erzählt, nachdem ihre Tochter, die sie sehr jung bekommen hat, gerade ausgezogen ist. Mara ist also » zu haben«, hätte ich vielleicht früher gedacht, aber das liegt mir heute fern. Das klingt wie ein Sonderangebot des Schicksals, und ich misstraue Sonderangeboten prinzipiell. Vielleicht hängt mir die Geschichte mit Charlotte viel mehr nach, als ich gedacht hatte. Ich bin vielleicht einfach noch nicht soweit. Manchmal frage ich mich sogar, ob ich jemals wieder soweit sein werde.
    Wenn das Leben langsam die letzten Kapitel schreibt, ist es angebracht, sich mehr mit dem Geistigen zu beschäftigen. Das finden Sie bestimmt albern, weil ich in Ihren Augen jung und gesund bin. Meinetwegen, ich gebe Ihnen ein wenig recht. Dennoch spüre ich, es ist an der Zeit für mich, zu lernen, ein alter Mann zu werden.
    Mara und ich haben gestern fast den ganzen Tag miteinander verbracht und merkwürdige Gespräche geführt. Zum Beispiel über Biologie (Fische), Anatomie (Hängebrüste – die habe ich) und am Ende über Mythologie (Elfen). Sie war völlig erstaunt, dass ich als » deutscher (!) Dichter« noch nicht bemerkt hatte, dass der Elbsee von der Wortherkunft nichts anderes sei als der Elfensee. Mara glaubt tatsächlich an alle möglichen Geistwesen. Das sei in den Karpaten so normal wie zum Beispiel in Island, meinte sie, und auch kein echter Gegensatz zur Wissenschaft. Für Mara sind Gnome und Zwerge so real wie Fische und Enten. Und viel realer als Bankguthaben und Börsenkurse.
    Als die Dämmerung sich langsam über den Talkessel senkte, fuhr sie zurück in den Ort. » Wenn es hell ist, siehst du die Dinge an«, sagte sie. » Wenn es finster wird, sehen die Dinge dich an .«
    Der Gedanke verfolgte mich die halbe Nacht.
    Am Morgen stand ich lange vor der Tür und sah auf den See. Er dampfte und rauchte wie ein Geysir (von wegen Island). Der Wind blies fette Wassertropfen von den Blättern. Ein Käuzchen rief, bevor es schlafen ging. Und plötzlich – plötzlich – bitte lachen Sie mich nicht aus – plötzlich konnte ich den Tanz der Elfen sehen, wie sie über das glänzende Wasserparkett schwebten, hin und her und im Kreis, und ihren luftigen Reigen im Schilf fortsetzten. Das war keine Einbildung, auch keine poetische Vision, keine Metapher! Und ich war nüchtern wie ein Krokodil. Ich sah sie. Die Elfen. Und ich kann Ihnen sagen, das erschreckte mich nicht. Was mich erschreckte oder geradezu schockierte war vielmehr die Einsicht – wie konnte ich als Dichter nur glauben und sagen, dass ich keine Seele habe? Wie konnte ich vergessen, dass wir aus einer anderen Welt kommen und in eine andere Welt gehen? Wie konnte ich vergessen, dass es meine Aufgabe ist, vom Durchschimmern dieser Welt zu berichten?
    Aber frohlocken Sie nicht, liebe Verlegerin. Ich weiß nicht, ob ich die Kraft haben werde, von diesen Welten zu berichten. Den Willen dazu. Die Kinder lehren wir das Gebet zu ihrem Schutzengel. Aber wir Großen sind von allen guten Geistern verlassen. So sieht die Welt auch aus. Und warum sind wir von den guten Geistern

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