Liebe unter Fischen
Steg. Mara hatte einen Block mit, darauf kritzelte sie Wörter und Zahlen, importance 250–330 konnte Fred entziffern, effects , gender und performing .
» Spricht man in der Slowakei Englisch ?« , fragte er.
» Man schaut nicht in die Schriften von anderen Menschen«, tadelte Mara, obwohl sie am Vortag Freds Schnipsel genauso neugierig begutachtet hatte.
» Tut mir leid. Ich weiß das normalerweise. Ich verwildere hier«, antwortete Fred, während er gleichzeitig die Wörter patterns und behaviour erspähte.
Er sah zu, wie die gestreiften Fischchen im flachen Wasser in geordneter Formation im Kreis schwammen. Manchmal ergriff den Schwarm ohne ersichtlichen Grund eine plötzliche Erregung, die Formation wich dem Chaos, scheinbar zappelte jeder Fisch, wie er wollte, und die Wasseroberfläche brodelte.
» Was machen die Fische ?« , fragte Fred.
» Sex«, antwortete Mara trocken.
» Oh«, sagte Fred.
» Ich bin hier, um ihr Fortpflanzungsverhalten zu studieren«, erklärte die Forscherin.
» Diese Fische kommen fast nur noch in klaren Seen in den Alpen vor. Slowakisches Ministerium für Umwelt überlegt ein Programm der Wiederansiedelung in den Wazzern der Karpaten. Ich gehöre zu einem Team und wir machen eine Evaluation von den biologischen Auswirkungen von diesem Projekt .«
» Bleibst du lange hier ?«
» Nein. Ich muzz Ergebnizze bringen. Und die Zeit für reproduction ist bald vorbei .«
» Sex aus«, stellte Fred trocken fest, aber das kam ihm so blöd vor, dass er eine Frage nachschob: » Haben die Fische Spaß dabei ?«
» Phoxinus ist ein typischer … wie sagt man … Schwarmlaicher. Das heizt, es müzzen viele sein, damit sie in Stimmung kommen .«
» Aha«, sagte Fred.
» Nicht so wie bei uns«, fügte Mara hinzu und lächelte Fred an.
» Nicht so wie bei uns«, hallte es in Freds Kopf nach. Vielleicht kann sie einfach die Wirkung ihrer deutschen Sätze nicht so richtig einschätzen. Während Fred am Rand seines Blickfelds wahrnahm, dass Mara unter ihrem Kleid einen schwarzen Bikini trug, setzte er ein sehr wissenschaftliches Gesicht auf und sagte: » Ich habe mich sehr oft gefragt, ob es so etwas wie Schwarmintelligenz gibt. Ich glaube jedenfalls nicht daran. Zumindest nicht beim Menschen. Das, was man Schwarmintelligenz nennt, ist meistens nur die Faulheit des Einzelnen. Aber ich bin kein Wissenschaftler .«
» Die Frage nach swarm intelligence und collective behaviour ist auch bei Wizzenschaftlern sehr umstritten. Es werden dann von manchen Kollegen Diskurse geführt, die in den Bereich von Religion oder Mystik gehen, verstehst du? Sie sagen, ein übergeordneter Geist, wie ein spirit , bestimmt den Schwarm, denn wenn es diesen spirit nicht gibt, warum weiz dann jeder Fisch, was er zu tun hat? Man hat dazu viele Experimente gemacht, mit Mäusen, mit Fischen. Man kann Schwärme darauf trainieren, zum Beispiel auf die Farbe Gelb zu reagieren, verstehst du ?«
Mit einem Seitenblick auf Maras Kleid sagte Fred: » Ja, das verstehe ich .« Mara ging darüber hinweg und fuhr fort: » Es ist möglich, einen Schwarm zu konditionieren. Mischt man einen Schwarm, der auf gelbes Futter reagiert, mit einem Schwarm, der auf blaues Futter reagiert, so übernimmt der kleinere Schwarm in der Regel das Verhalten des grözeren Schwarms. Es kommt aber auch darauf an, wie stark die Konditionierung ist. Eine komplizierte Frage .«
» Ist es möglich, vom Verhalten von Tieren auf das Verhalten von Menschen zu schließen ?« , wollte Fred wissen.
» Natürlich«, lachte Mara. » Möglich ist es. Ob es richtig ist, ist eine andere Frage. Manche Kollegen beschreiben zum Beispiel das World Wide Web als eine Art Schwarm, eine Form von kollektiver Intelligenz .«
» Ich weiß nicht«, sagte Fred diplomatisch, obwohl ihm das Wortpaar kollektive Verblödung auf der Zunge lag, aber er wollte Mara nicht mit einer antitechnologischen Suada langweilen.
Mara schrieb etwas in ihren Block und sah von den Fischen auf: » Ich fürchte, wir verlieren durch diese künstliche Verbindung des Internet unsere natürliche Verbindung. Verstehst du, Bindung. Relation . Verbindung zu Natur. Verbindung zu Menschen. Verbindung zu allem .«
» Das ist aber nicht sehr wissenschaftlich«, warf Fred ein.
» Nein«, sagte Mara und legte sich auf den Steg. » Die besten Dinge sind nicht sehr wizzenschaftlich .«
» Zum Beispiel ?«
» Zum Beispiel der Himmel .«
Fred nahm das als Au ff orderung, sich ebenfalls auf dem Steg
Weitere Kostenlose Bücher