Liebe unter kaltem Himmel
(außer für ihre Reitkleider, denn im Gelände war sie immer sehr gut angezogen, aber auch ihre Pferde verköstigte sie gewiss mit einem pferdegemäßen Sahneersatz). Nachdem ich mich mit den nötigen Zutaten versehen hatte, ging ich also zu ihr und machte eine Crême Chantilly. Als ich wieder nach Hause kam, klingelte das Telefon – Cedric.
»Ich dachte, ich sage dir am besten schon jetzt, dass wir die arme Norma heute Abend versetzen werden.«
»Cedric, das könnt ihr nicht machen, das ist das Schrecklichste, was ich je gehört habe, sie hat Sahne gekauft!«
Er ließ ein unfreundliches Lachen ertönen und sagte: »Umso besser für die schmächtigen Knirpse, die ich bei ihr herumkriechen sah.«
»Aber warum willst du sie denn versetzen, bist du krank?«
»Keineswegs, meine Liebe, danke der Nachfrage. Die Sache ist die: Merlin will, dass wir zum Essen herüberkommen, er hat frische foie gras und eine faszinierende Marquesa mit fünf Zentimeter langen Wimpern, er hat nachgemessen. Du verstehst, da kann Man einfach nicht widerstehen.«
»Da muss Man widerstehen!«, sagte ich ganz außer mir. »Ihr könnt Norma unmöglich versetzen, ihr ahnt nicht, wie viel Mühe sie sich gegeben hat. Außerdem, denk doch mal an uns, du ungezogener Junge, wir können nämlich nicht einfach wegbleiben, überleg mal, wie trostlos der Abend ohne euch sein wird.«
»Ich weiß, du Ärmste, es wird wahrhaft trübselig, wie?«
»Cedric, ich kann nur sagen: Du bist ein Gulli.«
»Ja, Liebling, mea culpa . Aber es ist nicht so, dass ich sie versetzen will , ich weiß nur genau, dass ich es tun werde. Ich habe gar nicht die Absicht, nicht im Geringsten, aber irgendetwas tief in mir treibt mich dazu. Ich weiß, wenn ich nach unserem Gespräch den Hörer auflege, wird sich meine Hand wie von selbst noch einmal zum Hörer stehlen, und dann werde ich ganz gegen meinen Willen hören, wie meine Stimme nach Normas Nummer fragt, und geradezu mit Entsetzen werde ich vernehmen, wie sie Norma die schreckliche Botschaft mitteilt. Und dass ich jetzt von der Sahne weiß, macht alles nur noch schlimmer. Nun ja, es ist, wie es ist. Aber weshalb ich vor allem anrufe: Vergiss nicht, dass du auf meiner Seite stehst – bitte keine Untreue, Fanny; ich verlasse mich darauf, meine Liebe, dass du Norma nicht in Rage bringst. Wenn du das nicht tust, dann wirst du sehen, dass sie es kein bisschen übelnimmt, kein bisschen. Also, Solidarität zwischen Arbeitermädchen – ich verspreche dir, morgen komme ich vorbei und erzähle dir von den Wimpern.«
Merkwürdigerweise behielt Cedric recht, Norma war kein bisschen verärgert. Seine Entschuldigung – er hatte ihr die Wahrheit gesagt und sie nur ein bisschen weitergesponnen, indem er hinzufügte, Lady Montdore sei mit der Marquesa zusammen auf die Schule gegangen – hielt sie für annehmbar, denn ein Dinner mit Lord Merlin galt in Oxford als der höchste Gipfel menschlichen Glücks. Norma rief mich an und teilte mir die Verschiebung ihrer Dinnerparty im Ton der großen Gastgeberin mit, die tagein, tagaus irgendwelche Dinnerpartys verschiebt.
Dann fiel sie in den normalen Umgangston von Oxford zurück und meinte: »Schade wegen der Sahne, denn jetzt kommen sie am Mittwoch, und bis dahin hält sie sich bei dem Wetter nicht. Kommst du Mittwochmorgen und machst einen neuen Nachtisch, Fanny? Sehr gut, dann bezahle ich die beiden Liter zusammen, wenn es dir recht ist, und wir sind quitt. Die Blumen werden wohl durchhalten. Also bis dann, Fanny.«
Aber am Mittwoch lag Cedric mit hohem Fieber zu Bett, und am Donnerstag wurde er mit dem Krankenwagen nach London gebracht und dort wegen einer Bauchfellentzündung operiert. Mehrere Tage schwebte er zwischen Leben und Tod, und schließlich dauerte es gute zwei Monate, bis die Dinnerparty tatsächlich stattfinden konnte.
Doch endlich wurde ein neues Datum festgesetzt, eine neue Süßspeise wurde zubereitet, und auf Normas Vorschlag lud ich noch meinen Onkel Davey ein und bat ihn, Normas Beagleschwester zu Tisch zu führen. Auf Professoren und Dozenten blickte Norma genauso von oben herab wie Lady Montdore, und Nichtpromovierte, von deren Existenz sie immerhin gehört haben musste, denn sie gewährleisteten ihrem und meinem Mann das Auskommen, betrachtete sie ganz bestimmt nicht als menschliche Wesen und mögliche Tischgäste.
Es wäre mir früher nie in den Sinn gekommen, dass »rührend« – ein Wort, das Lady Montdore oft im Munde führte (es war zu ihrer Zeit sehr
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