Liebe unter kaltem Himmel
vielleicht einmal im Jahr, aber immer sagte sie Liebling zu mir und dass sie mich bald wiedersehen würde, und jedes Mal fühlte ich mich danach unsinnigerweise beflügelt.
Ich ging nach Hause zurück. Am Kamin saßen Jassy und Victoria. Victoria war ganz grün im Gesicht.
»Ich muss das Reden übernehmen«, sagte Jassy. »In Fas neuem Wagen wird der armen Vicki immer schlecht, und sie kann den Mund nicht aufmachen, weil es ihr sonst aus dem Gesicht fallen könnte.«
»Dann geh lieber aufs Klo«, sagte ich.
Victoria schüttelte heftig den Kopf.
»Sie hasst es«, sagte Jassy, »alles lieber als das. Wir hoffen, du freust dich, dass wir da sind.«
»Ja«, sagte ich, »sehr.«
»Und wir hoffen, dir ist aufgefallen, dass wir in letzter Zeit nie da waren.«
»Ja, das ist mir aufgefallen. Ich dachte, es sei wegen der Jagdzeit.«
»Dummerchen. Wie soll man bei dem Wetter jagen?«
»Dieses Wetter haben wir doch erst seit gestern, und von Norma habe ich gehört, ihr seid bis jetzt andauernd draußen gewesen.«
»Wir haben den Eindruck, dass du dir nicht im Klaren darüber bist, wie tief uns dein Verhalten in den letzten ein, zwei Jahren gekränkt hat.«
»Also kommt, Kinder, darüber haben wir doch schon tausend Mal gesprochen«, sagte ich bestimmt.
»Ja, aber es ist nicht besonders nett von dir. Als du geheiratet hast, haben wir natürlich erwartet, alle Freuden einer zivilisierten Geselligkeit würden sich uns in deinem Haus eröffnen, und früher oder später würden wir hier, in deinem Salon, den brillanten, wohlhabenden adeligen Männern begegnen, die dereinst unsere Gatten werden sollen. ›Ich liebte sie vom ersten Augenblick an, das junge Mädchen mit dem schönen, feinsinnigen Gesicht, das in Mrs Winchams Salon in Oxford immer seine langen Beine streckte.‹ Und was passiert? Eine der reichsten Partien Westeuropas wird habitué de la maison – aber bringt uns unsere stets ehrgeizig um unsere Zukunft bemühte Cousine mit ihm zusammen, setzt sie Himmel und Erde in Bewegung, damit die glänzende Verbindung zustandekommt? Nein, sie lässt uns nicht mal seine Bekanntschaft machen. Spielverderberin!«
»Sonst noch was?«, fragte ich verdrießlich.
»Nein, wir kommen nur darauf zurück« – in diesem Augenblick floh Victoria aus dem Zimmer, Jassy achtete nicht darauf –, »um unsere Herzensgüte ins rechte Licht zu rücken. Wir haben nämlich eine außerordentlich interessante Neuigkeit, und obwohl du dich wie ein Anti-Hon benommen hast, werden wir sie dir mitteilen. Aber wir möchten, dass du erkennst, wie großmütig das von uns ist, wenn man alles in Betracht zieht, seine blitzenden Augen, sein wehendes Haar, das wir nur aus der Ferne erblickt haben, es ist eine Schande, und ich muss warten, bis Vicki zurück ist, es wäre treulos ihr gegenüber, und könnten wir vielleicht etwas zum Tee bekommen, sie ist nachher immer ganz ausgehungert.«
»Weiß Mrs Heathery, dass ihr da seid?«
»Ja, sie hat Vickis Kopf gehalten.«
»Soll das heißen, dass sie sich schon einmal übergeben hat?«
»Es passiert immer dreimal – einmal im Wagen und zweimal, wenn wir angekommen sind.«
»Also wenn Mrs Heathery Bescheid weiß, dann kommt der Tee.«
Er kam im gleichen Augenblick wie Victoria.
»Fannys Klo! Eine Wucht! Mit Teppich, Jassy, und eine Hitze! Man könnte sich den ganzen Tag dort aufhalten. Oh, Fanny, Crumpets! Lecker!«
»Was habt ihr denn für eine Neuigkeit?«, fragte ich und schenkte den Kindern Milch ein.
»Ich mag neuerdings Tee, bitte«, sagte Jassy, »woran man erkennt, wie lange du uns nicht gesehen hast. Ich mag Tee und fast auch schon Kaffee. Also, die Neuigkeit lautet: Napoleon hat Elba verlassen und befindet sich auf dem Heimweg.«
»Bitte noch einmal.«
»Schwer von Begriff, wie? Man sollte nicht meinen, dass du von der jungen, kosmopolitischen Intelligenz, die in deinem Hause verkehrt, gerade wegen deiner Schlagfertigkeit so geschätzt wirst.«
»Meint ihr Polly?«, sagte ich, und plötzlich ging mir ein Licht auf.
»Kluges Köpfchen, meine Liebe. Josh hat heute Morgen die Pferde bewegt und ist kurz im Blood Arms eingekehrt, und da hat er es gehört. Sofort haben wir uns auf den Weg gemacht, um es dir zu erzählen, Fanny, ohne Rücksicht auf Leben und Gesundheit, sollte man eine solche Wohltat nicht mit einer anderen vergelten, Fanny?«
»Ihr seid Nervensägen«, sagte ich, »erzählt lieber weiter. Wann?«
»Täglich. Die Mieter sind ausgezogen, und das Haus wird hergerichtet, Lady
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