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Liebe unter kaltem Himmel

Liebe unter kaltem Himmel

Titel: Liebe unter kaltem Himmel
Autoren: Nancy Mitford
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einem Federschal ganz so wie das Oberteil eines gestreiften Männerpyjamas aussah. Dieser Flanellpyjama war nicht das einzige merkwürdige Element in diesem Zimmer. Auf ihrer Frisierkommode mit dem mächtigen Silberspiegel, zwischen allerlei silbernen und emaillierten Bürsten, Fläschchen und Dosen mit ihrem Monogramm in Diamanten, sah man eine schwarze Haarbürste von Maison Pearson und einen Topf Pond’s Cold Cream, und zwischen den königlichen Häuptern lagen, achtlos hingeworfen, eine rostige Nagelfeile, ein kaputter Kamm und ein Wattebausch. Während wir uns unterhielten, kam Lady Montdores Mädchen herein und schickte sich unter vielem Zungenschnalzen an, diese Dinge wegzuräumen, aber Lady Montdore unterband das und erklärte, sie sei noch nicht fertig.
    Auf ihrer Bettdecke verstreut lagen Zeitungen und geöffnete Briefe, und die Times in ihrer Hand hatte sie bei der Seite mit den Hofnachrichten aufgeschlagen, es war wahrscheinlich die einzige Rubrik, in die sie überhaupt einen Blick warf, denn, so pflegte sie zu sagen, die Nachrichten könne man sich auch von denen erzählen lassen, die sie machen, das sei außerdem viel unterhaltsamer. Ich glaube, für sie war es fast so erbaulich, wie wenn sie in einem Gebetbuch gelesen hätte, ihren Tag mit Mabell, Gräfin von Airlie, zu beginnen, die soeben die Nachfolge von Lady Elizabeth Motion als Hofdame der Königin angetreten habe. Es zeigte, dass sich die Erdkugel noch immer in Übereinstimmung mit den Naturgesetzen drehte.
    »Guten Morgen, meine liebe Fanny«, sagte sie, »ich nehme an, das hier wird dich interessieren.«
    Sie reichte mir die Times , und ich sah, dass Lindas Verlobung mit Anthony Kroesig endlich angezeigt war.
    »Die armen Alconleighs«, fuhr sie in tief befriedigtem Ton fort. »Kein Wunder, dass es ihnen nicht gefällt! So ein dummes Mädchen, aber das war sie meiner Ansicht nach ja schon immer. Er hat kein Amt. Ist zwar reich, aber Bankiersgeld – das kommt und geht, und so viel es auch sein mag, es ist doch etwas anderes, als wenn man alles dies hier heiratet.«
    »Alles dies hier« war ein Lieblingsausdruck von Lady Montdore. Er bedeutete nicht all dies Schöne hier, dieses merkwürdige, märchenhafte Haus inmitten von vier großen Alleen, die vier künstliche Abhänge hinanstiegen, nicht das Ebenmaß von Baumgruppen, Rasen und Himmel, das man aus den Fenstern erblickte, und nicht die Freude an den Schätzen, die es enthielt, denn Sinn für Schönheit war ihr nicht gegeben, und wenn sie überhaupt etwas bewunderte, dann einen Stil, den man vielleicht als Börsianerbarock bezeichnen konnte. Sie hatte sich im Park einen kleinen Garten hergerichtet, in Anlehnung an etwas, das sie bei einer der Blumenausstellungen in Chelsea gesehen hatte, ein Ensemble von Kletterrosen, Vergissmeinnicht und Zypressen, um einen italienischen Brunnen gruppiert, und hierhin zog sie sich oft zurück, um den Sonnenuntergang mitzuerleben. »So schön, dass ich in Tränen ausbrechen könnte.« Sie besaß die ganze Sentimentalität ihrer Generation. Wie grünes Moos breitete sich diese Sentimentalität auf ihrem Verstand aus und verdeckte – zwar nicht für andere, aber doch für sie selbst – die Tatsache, dass dieser Verstand aus hartem Stein war. Sie war davon überzeugt, eine tief empfindsame Frau zu sein.
    »Alles dies hier« aus ihrem Mund bedeutete Rang, verbunden mit so soliden Vermögenswerten wie Ländereien, Kohlengruben, Immobilien, Juwelen, Silber, Bildern, Inkunabeln und ähnlichen Besitztümern. Lord Montdore besaß zum Glück eine schier unglaubliche Menge derartiger Dinge.
    »Nicht, dass ich je erwartet habe, Linda würde standesgemäß heiraten«, fuhr sie fort. »Sadie ist gewiss eine wunderbare Frau, und ich mag sie sehr, aber sie hat leider keine Ahnung, wie man Mädchen erziehen muss.«
    Dennoch, kaum setzten die Mädchen von Tante Sadie den Fuß aus dem Schulzimmer, da griff schon jemand zu und heiratete sie, wenn auch nicht standesgemäß, und vielleicht war es dies, was Lady Montdore wurmte, die sich so intensiv mit diesen Dingen befasste.
    Die Beziehungen zwischen Hampton und Alconleigh waren von folgender Art. Lady Montdore empfand eine gereizte Zuneigung zu Tante Sadie, bewunderte einerseits ihre Rechtschaffenheit, die sie anerkennen musste, machte ihr aber andererseits eine Weltfremdheit zum Vorwurf, die sie bei einer Frau in Tante Sadies Position für unangebracht hielt; Onkel Matthew dagegen war ihr unerträglich, sie hielt ihn für
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