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Liebe unter kaltem Himmel

Liebe unter kaltem Himmel

Titel: Liebe unter kaltem Himmel
Autoren: Nancy Mitford
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»Radschas müssen einfach himmlisch sein, all die Diamanten.«
    »Ach nein, meine Liebe – jede englische Familie besitzt bessere Steine als sie. Als ich dort war, habe ich nie etwas gesehen, das mit meinen zu vergleichen wäre. Aber dieser Radscha, das muss ich sagen, war ziemlich attraktiv, obwohl Polly es natürlich nicht bemerkt hat, sie bemerkt so etwas nie. Herrje! Wären wir doch Franzosen! Die verstehen sich auf diese Dinge wirklich besser als wir. Zunächst einmal hätte dann sie dies alles hier geerbt und nicht diese dummen Leute in Neuschottland, die hier nicht hingehören – kannst du dir vorstellen, dass hier Kolonisten wohnen? Siedler! –, und außerdem würden wir uns dann selbst nach einem Mann für sie umsehen, und nachher könnten sie abwechselnd bei ihm, bei seinen Eltern und hier bei uns wohnen. Überleg doch mal, wie vernünftig das ist. Diese alte französische Punze hat mir das System gestern Abend ganz genau erklärt.«
    Lady Montdore war bekannt dafür, dass sie zuweilen Wörter aufschnappte, die sie nicht ganz begriff, und ihnen dann ihre eigene Bedeutung beilegte. Offensichtlich glaubte sie, das Wort »Punze« bedeute so viel wie lästige Person oder hartnäckige Frau oder Besen. Mrs Chaddesley Corbett war entzückt, sie ließ ein fröhliches kleines Quietschen vernehmen, erklärte ganz plötzlich, sie müsse sich jetzt zum Dinner umziehen, und stürmte nach oben. Als ich zehn Minuten später ebenfalls nach oben kam, war sie noch immer dabei, die Neuigkeit durch die verschiedenen Badezimmertüren zu verbreiten.
    In der folgenden Zeit machte sich Lady Montdore daran, meine Sympathie zu erobern – natürlich mit Erfolg. Schwierig war das nicht, denn ich war jung und verschüchtert, sie hingegen alt, vornehm und einschüchternd, und es bedurfte nur einer gelegentlichen Andeutung von gegenseitigem Verständnis, eines Lächelns, einer Geste der Sympathie – und schon glaubte ich, sie wirklich gern zu haben. Charme besaß sie tatsächlich, und da Charme, verbunden mit Reichtum und Rang, etwas Unwiderstehliches hat, verhielt es sich so, dass sie vor allem von Leuten gehasst wurde, die ihr entweder noch nie begegnet waren oder irgendwann einmal von ihr brüskiert oder ignoriert worden waren. Zwar mussten auch die, zu denen Lady Montdore freundlich sein wollte, einräumen, dass ihre ganze Art unentschuldbar sei, doch sie fügten meist hinzu: »… zu mir war sie allerdings nett, und eigentlich mag ich sie.« Sie selbst zweifelte natürlich keinen Augenblick daran, dass sie überall nur verehrt wurde, in allen Kreisen der besseren Gesellschaft.
    Bevor ich Hampton am Montagmorgen verließ, führte mich Polly in das Schlafzimmer ihrer Mutter, wo ich mich verabschieden wollte. Einige Gäste waren schon am Abend vorher abgereist, die übrigen machten sich jetzt auf den Weg, glitten in ihren riesigen Automobilen davon, und das ganze Haus glich einem großen Internat, das in die Ferien aufbricht. Die Zimmertüren, an denen wir vorüberkamen, standen weit offen, und drinnen sah man überall Seidenpapier herumliegen, ungemachte Betten, Diener, die mit Koffern, und Herrschaften, die mit Mänteln kämpften. Alle schienen plötzlich von einer kämpferischen Rastlosigkeit gepackt.
    Lady Montdores Zimmer, daran erinnerte ich mich noch von früher, war riesengroß, es glich eher einem Ballsaal als einem Schlafzimmer und war im Geschmack ihrer ersten Ehejahre eingerichtet; die Wände mit rosa Seide bespannt, darauf weißer Spitzenbesatz, und das große, auf einer Estrade stehende Bett aus Korbgeflecht hatte ebenfalls Vorhänge aus rosa Seide. Die Möbel waren weiß, die tiefen Satinpolster rosa, mit Bandrosetten gemustert. Silberne Blumenvasen standen auf allen Tischen, und dazwischen, in silbernen Stellrahmen, zahlreiche Fotografien, meist von Personen königlichen Geblüts, mit Inschriften, deren Herzlichkeit im umgekehrten Verhältnis zur tatsächlichen Bedeutung der Abgebildeten stand. Regierende Monarchen hatten sich mit einem Vornamen, einem R und vielleicht einem Datum begnügt, während Exkönige und -königinnen, Erzherzoginnen und Großherzöge ihre Zuneigung reichlich durch »Liebe« und »Liebste Sonia« und »Darling« über ihre Schleppen und Uniformhosen ausgestreut hatten.
    Inmitten von so viel Silber und Satin und Seide machte Lady Montdore eine ziemlich komische Figur, wie sie mit unfrisiertem grauem Kraushaar zwischen Bergen von spitzenbesetzten Kissen in einem Gewand dasaß, das unter
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