Liebe unter kaltem Himmel
verrückt. Onkel Matthew seinerseits hegte eine tiefe Verehrung für Lord Montdore, der vielleicht der einzige Mensch auf der ganzen Welt war, zu dem Onkel Matthew aufblickte, wohingegen ihm Lady Montdore ein solcher Gräuel war, dass er sie, wie er zuweilen erklärte, am liebsten erwürgt hätte. Seit Lord Montdore aus Indien zurück war, traf Onkel Matthew ihn regelmäßig im Oberhaus und bei verschiedenen Grafschaftsgremien, in denen sie beide saßen, und oft kam er nach Hause und zitierte seine banalsten Bemerkungen, als seien es die Aussprüche eines Propheten – »Montdore sagt mir«, »Montdore meint«. Und dabei blieb es. Zwecklos, irgendetwas davon infrage zu stellen; Lord Montdores Ansicht zu einer Sache war auch für meinen Onkel das letzte Wort.
»Wunderbarer Bursche, dieser Montdore. Ich begreife nicht, wie wir hierzulande all die Jahre ohne ihn ausgekommen sind. Ein Wahnsinn, ihn an die Schwarzen zu verschwenden, er ist genau von der Sorte, die wir hier dringend brauchen.«
Hampton zuliebe brach er sogar mit seinem Grundsatz, keine Besuche in fremden Häusern zu machen. »Wenn Montdore uns einlädt, sollten wir gehen.«
»Es war aber Sonia, die uns eingeladen hat«, berichtigte Tante Sadie ihn mit einem Augenzwinkern.
»Das alte Wolfsweib. Werde nie begreifen, was über Montdore gekommen ist, als er sie geheiratet hat. Nehme an, er hat damals nicht mitbekommen, was für eine Giftspritze sie ist.«
»Liebling – bitte!«
»Eine Giftspritze, jawohl! Aber wenn Montdore uns einlädt, sollten wir gehen.«
Tante Sadie ihrerseits äußerte sich immer so unbestimmt, hüllte sich so sehr in Wolken, dass man nie genau wusste, wie sie wirklich über andere Menschen dachte, aber ich glaube, in kleinen Dosen war ihr die Gesellschaft von Lady Montdore recht angenehm, während sie die Gefühle meines Onkels für Lord Montdore nicht teilte, denn wenn sie von ihm sprach, schwang immer ein wenig Geringschätzung mit.
»Er hat etwas Albernes an sich«, sagte sie manchmal, aber nie in Gegenwart von Onkel Matthew, denn das hätte ihn tief verletzt.
»Für Louisa und die arme Linda wäre also gesorgt«, fuhr Lady Montdore fort. »Jetzt bist du an der Reihe, Fanny.«
»O nein«, sagte ich. »Mich will bestimmt keiner heiraten.« Ich konnte mir tatsächlich nicht vorstellen, dass mich jemand wollte, ich fand mich so viel weniger faszinierend als die anderen Mädchen, die ich kannte. Ich gefiel mir nicht, und ich hasste meine runden rosa Wangen und mein widerspenstiges schwarzes Lockenhaar, das ich nie dazu bringen konnte, in seidigem Fall mein Gesicht zu umrahmen, sosehr ich es mit Wasser und Bürste zu bändigen versuchte – es wuchs immer in die falsche Richtung, nach oben, wie Heidekraut.
»Unsinn. Aber bitte, heirate nicht einfach irgendwen, aus Liebe«, sagte sie. »Denk daran, Liebe kann nicht dauern, das tut sie nie, aber wenn du alles dies hier heiratest, dann ist das fürs Leben. Eines Tages, vergiss das nicht, wirst du in die mittleren Jahre kommen und dir überlegen, wie muss das wohl für eine Frau sein, die sich, sagen wir, ein Paar Diamantohrringe einfach nicht leisten kann. Eine Frau in meinem Alter braucht Diamanten um ihr Gesicht, damit es funkelt. Und dann bei Tisch immer mit all diesen unbedeutenden Menschen herumsitzen. Und ohne Automobil. Keine sehr erfreuliche Aussicht, nicht wahr. Ich«, fügte sie nach kurzer Überlegung hinzu, »hatte natürlich Glück, ich fand die Liebe und dies alles hier, aber das geschieht nicht oft, und wenn der Augenblick der Entscheidung kommt, dann denk an das, was ich dir gesagt habe. Ich glaube, Fanny sollte jetzt aufbrechen, damit sie ihren Zug nicht verpasst – und wenn du sie hinausbegleitet hast, dann sieh doch bitte nach, wo Boy steckt, und schick ihn zu mir, Polly, ja? Ich möchte mit ihm die Dinnerparty in der nächsten Woche besprechen. Also, auf Wiedersehen, Fanny – lass dich ruhig öfter blicken, jetzt, wo wir wieder da sind.«
Auf dem Weg nach unten begegneten wir Boy.
»Mami möchte dich sehen«, sagte Polly und richtete mit ernster Miene ihren blauen Blick auf ihn.
Er legte ihr die Hand auf die Schulter und massierte sie mit dem Daumen.
»Ja«, sagte er, »wegen der Dinnerparty, nehme ich an. Kommst du auch hin, altes Mädchen?«
»Aber das nehme ich doch an«, sagte sie. »Ich bin doch jetzt eingeführt.«
»Ich kann nicht behaupten, dass ich sehr erpicht darauf wäre. Die Vorstellungen deiner Mutter über das placement werden immer
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