Liebe – wie im Maerchen
Schweigend und mit versteinerter Miene untersuchte er den verbrühten Bereich, bevor er ihn mit dem Handtuch abdeckte und eine Flasche mit Desinfektionsmittel aus dem Erste-Hilfe-Kasten nahm. Ganz vorsichtig tupfte er die Lösung auf ihren Arm. "Tut das weh?"
Sie schüttelte den Kopf, konnte aber nicht aufhören zu zittern.
"Wenn sich Blasen bilden, werden wir einen Brandwundenspezialisten rufen müssen. Im Moment sieht es so aus, als hättest du noch einmal Glück gehabt."
Glück? dachte Evie trostlos. "Raschid, bitte", bat sie flehentlich.
"Du kannst nicht..."
Er blickte scharf auf. "Zwing mich nicht, andere Seiten aufzuziehen", warnte er. "Denn das würde dir nicht gefallen."
"Soll das eine Drohung sein?"
"Das Kind gehört mir. Du gehörst mir", stellte er fest. "Ich habe nicht die geringste Absicht, einen von euch aufzugeben. Was bedeutet, dass ich eurem Platz in meinem Leben einen offiziellen Charakter verleihen muss."
"Ohne Rücksicht auf die Folgen?"
Er nickte entschieden. "Ohne Rücksicht auf die Folgen."
In diesem Moment läutete das Telefon.
"Willst du drangehen?" fragte Raschid ruhig.
Evie schüttelte den Kopf und wartete mit gesenktem Blick darauf, dass der Anrufbeantworter ansprang.
Es war wieder ihre Mutter. Ihre Stimme klang schrill und aufgebracht. "Hast du schon die Zeitung von heute früh gesehen? Ich habe mich noch nie in meinem Leben so geschämt! Als wäre es nicht schon genug gewesen, dass du ohne ein Wort des Dankes einfach aus Beverley Castle verschwindest und dieser unsägliche Mann es dir gleichmacht ... Nein, ich muss auch noch erleben, dass ihr beide mir von der Titelseite der Morgenzeitung entgegenblickt!"
Evie sah Raschid fragend an, doch der schüttelte den Kopf.
"Ich bin so wütend auf dich, Evie, dass ich dich glatt enterben könnte!" fuhr ihre Mutter fort. "Auf der Titelseite ein Bild von dir in seinen Armen! Und im Mittelteil der Zeitung dann die offizielle Ankündigung seines Vaters von der bevorstehenden Heirat seines Sohnes mit einer anderen Frau!"
Raschid stieß eine heftige Verwünschung aus und wollte schon nach dem Telefon greifen, um persönlich mit Lucinda zu sprechen, als sie weiterredete.
"Und wo ist das Foto von Julian und Christina?" jammerte sie.
"Nirgends! Ein Skandal - das ist alles, was du mir je eingebracht hast, Evangeline. Nichts als Schmerz, Enttäuschung, Peinlichkeiten und Skandale! Die Beverleys sind aufgebracht und geben sich alle Mühe, es nicht zu zeigen. Mir geht es ebenso. Und wo steckst du? Das würde ich gern wissen! Vielleicht bist du sogar mit ihm zusammen? Genießt ihr euer letztes leidenschaftliches Rendezvous, bevor dieser Mann dich fallen lässt, um eine andere zu heiraten? Soll die Presse vielleicht auch darüber in allen schockierenden Einzelheiten berichten?"
Danach brach die Verbindung ab. In der nachfolgenden angespannten Stille stand Evie da, hielt sich vorsichtig den schmerzenden Arm und überlegte, was ihre Mutter wohl erst sagen würde, wenn sie von dem Baby erfuhr.
Plötzlich klopfte es an der Haustür. Evie zuckte heftig zusammen und wollte öffnen. Doch Raschid hielt sie zurück.
"Nein! Sieh erst nach, wer es ist."
Evie ging ans Fenster, spähte hinaus und schrie erschrocken auf.
"Es sind Presseleute!" Rasch zog sie die Vorhänge zu. Aber ein halbes Dutzend Reporter hatte sie schon gesehen und bewegte sich auf das Wohnzimmerfenster zu.
Ein unbeschreiblicher Lärm brach aus. Die Reporter klopften an die Tür und an das Fenster und riefen Evies Namen. Kreidebleich drehte sie sich zu Raschid um. "Was ist eigentlich los? Was hat meine Mutter gemeint? Warum sind die Reporter hier?"
"Keine Ahnung." Raschid ging zum Telefon, hob den Hörer ab und wählte eine Nummer.
Evie wartete nervös, während Raschid wütend auf Arabisch mit jemandem sprach. Dabei verfinsterte sich seine Miene zusehends, während das Klopfen an der Tür und de» Fenster so laut wurde, dass Evie keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte.
Mit einer heftigen Verwünschung legte Raschid schließlich den Hörer auf. Im gleichen Moment wurde eine Zeitung durch den Briefschlitz an der Tür geschoben. Evie wollte sie holen gehen, aber Raschid kam ihr zuvor.
"Haben Sie dazu irgend etwas zu sagen, Miss Delahaye?" rief eine Stimme gedämpft von draußen. "Titelseite. Nicht zu übersehen!"
Evie stand neben Raschid und blickte entgeistert auf die Zeitung in seinen Händen. Dort prangte ein Foto von ihr und Raschid, wie sie sich unter dem
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