Liebe
des Gefühls verspürt wie man selbst. Gibt es hieran Zweifel, so ist die Verliebtheit von Anfang an ein Wechselbad der Gefühle, mithin eine Tragödie.
Wenn die Gefühle in einer Beziehung oder Ehe nachlassen, so ist das kein ungewöhnlicher Prozess. Man lernt sich einfach besser kennen. Und was uns am Anfang fasziniert hat, kann uns zwar ein Leben lang gefallen, muss es aber nicht. Man verlangt von seinem Partner, dass er »sich ändert«; etwas, was man seinen besten Freunden nie zumuten würde. Und man kratzt sich an der eigenen Nase und fragt sich, was man selbst dafür tun kann, damit alles bloß wieder besser wird. In dieser Lage erfolgen der erwähnte Griff zur vielfältigen Ratgeberliteratur und die Suche nach klugen Tipps.
Tatsächlich ist es eine recht einfache Sache: Liebesbeziehungen nutzen sich nicht nur deshalb ab, weil man »Fehler« macht oder am Anfang Illusionen hatte, sondern auch dadurch, dass sich manches im Leben ändern kann. Eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine gelingende Liebe sind gemeinsame oder ähnliche Werte. Man muss nicht die gleiche Partei wählen, aber eine völlig entgegengesetzte politische Meinung ist der Beziehung nicht förderlich. Wenn der eine den Geist liebt und der andere das Geld, ist das auch nur eingeschränkt gut. Wenn der eine
seine Entspannung im Sport findet und der andere vor dem Fernseher, fehlt etwas. Und wenn der eine in den Ferien am liebsten Abenteuerurlaub mit Klettertouren macht, der andere aber lieber zwei Wochen am Strand liegt, stehen die langfristigen Chancen schlecht. Zu diesen großen Werten kommen die vielen kleinen. Aus was schlagen wir gemeinsam den mystischen Funken unseres Alltags? Es sind die vielen kleinen Rituale, die die Liebe zu erhalten helfen. Zum Beispiel nicht zuletzt das Ritual, dass sich Liebende immer wieder gerne neu erzählen, was sie empfanden, als sie einander das erste Mal begegnet sind.
Der Reiz der Werte ist, dass sie einen exklusiven Zugang zum Besonderen haben; sie werten die Dinge auf. Und der Gottesdienst der Werte sind die Rituale. Sie zelebrieren und machen sinnlich erfahrbar, was sonst nur wohlmeinendes Gerede ist. Die Fähigkeit, schöne Erlebnisse zu ritualisieren, ist ein interessanter Indikator einer Beziehung. Bleiben die Rituale aus oder kommen im Lauf der Zeit keine neuen dazu, wird es meist finster. Irgendwann stimuliert die ewig gleiche Platte mit der Lieblingsmusik von vor zehn Jahren die Dame des Herzens nicht mehr zum Beischlaf. Und der Kult der Liebe wird staubig.
In solcher Lage rät der Ratgeber zur Abwechslung. Man soll seinen Partner überraschen und die Kreativität spielen lassen. Bei anstrengendem Berufs- und Familienleben ist das leichter gesagt als getan. Denn einen Partner zu überraschen, der einen schon ewig kennt oder nicht in Stimmung für Überraschungen ist, birgt oft mehr Risiken als Chancen. Und spätestens nach der fünften Überraschung im Monat geht man dem anderen vermutlich eher auf die Nerven, als dass man ihn aus der Reserve lockt.
Der Griff zum Buch verändert weder das Leben noch die Partnerschaft – jedenfalls nicht langfristig. Gelingende Liebe ist nur sehr selten eine Frage von guten Ratschlägen. Das ist vielleicht nicht schön, aber man kann beruhigt sein: Durch die tausend todsicheren Karrieretipps ist auch noch keiner Chef geworden.
Die ungezählten Anleitungen zum Millionärsdasein haben die Quote in Deutschland nicht signifikant erhöht. Dass man durch die Lektüre schlauer Bücher tatsächlich schlanker wird, ist auch zu bezweifeln.
Der Grund für den Misserfolg nach der Lektüre ist recht simpel. Es mag wohl richtig sein, dass die meisten Menschen glauben, dass sie sich ändern wollen – aber die wenigsten wollen sich ändern. Die Beharrungskraft unseres Selbstgefühls kann kaum überschätzt werden. Denn wer sich tatsächlich ändert, stellt das in Frage, was ihm am wichtigsten ist: seine Identität. Selbst der Tatmensch Joschka Fischer wurde nach seinem vermeintlichen »Lauf zu sich selbst« wieder fast so dick wie früher. Und kaum eine Krise ist so dramatisch, dass man langfristige Konsequenzen daraus zieht. Warum soll das in der Liebe anders sein? Der Möglichkeitssinn unsere Psyche ist immer kleiner als ihr Wirklichkeitssinn, obwohl er sich in unseren Träumen so gerne aufspreizt. Weder von unserem Partner noch von uns selbst können wir erwarten, dass sich etwas gravierend und grundsätzlich ändert. Und genau deshalb schlittert die Paartherapie
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