Liebe
Gemeinsamkeit, die Liebende so gerne betreiben, erwächst aus der Sicherheit, weder gemeinsam zu sein noch gleich zu erleben. Ansonsten wäre die Bestätigung des gemeinsamen Erlebens so überflüssig wie sinnlos.
Regeln zum Liebesglück?
Wie bereits zuvor gesagt, kommt die Liebe nicht, ohne dass wir etwas dazu tun. Und sie geht auch nicht, ohne dass wir etwas dazu tun. Dass das so ist, ist eigentlich eine schöne Sache. So ganz und gar sind wir dem Zufall der Liebe nicht ausgeliefert. Der Umstand allerdings, dass die Liebe nicht einfach so vom Himmel fällt und sich mit Zauberhand in nichts auflöst, führt auch zu verwirrenden Übertreibungen. Wie Erich Fromm, so betont auch der Psychoanalytiker Fritz Riemann: »Die Liebe ist kein Zustand, sondern ein Tun.« 77 So hübsch das klingt, in dieser Deutlichkeit formuliert ist es sicher falsch.
Wäre Liebe nur ein Tun und kein Zustand, so wäre jede Liebe grundsätzlich durch Tun und Zutun zu retten. Dass das nicht stimmt, weiß jeder Liebende mit Erfahrung. Gewiss kann man manches für seine Liebe tun. Man kann viel richtig und viel falsch machen. Aber man kann gewiss nicht alles dafür tun, und zwar weder für den Erhalt der eigenen Gefühle noch für den Erhalt der Gefühle bei jenem Menschen, den wir lieben.
Gerade der Umstand, dass wir nicht alles kontrollieren und manipulieren können, öffnet den Heilsversprechen der Ratgeberliteratur Tür und Tor. Wenn die Beziehung oder die Ehe schlecht ist, ist man unfreundlicher zueinander, zynischer, gelangweilter, genervter und unaufmerksamer. Ratgeberbücher zum Thema erklären uns dann das »Geheimnis« der glücklichen Ehe mit den klugen Tipps: »Seien Sie freundlicher zueinander und aufmerksamer!« Sehr schlau. Wenn uns Freundlichkeit und Aufmerksamkeit gegenüber unserem Partner leicht fielen, dann wäre der Krisenzustand unserer Beziehung gar nicht erst da.
Unsere Beziehungen kranken nicht daran, dass wir unaufmerksam sind, sondern wir sind unaufmerksam, weil unsere Beziehung kränkelt. Nicht jede Ehe ist zu retten. Und durch Ratgeber ist vermutlich noch keine einzige geheilt worden. Unser
Verhalten ändert sich ohnehin nur sehr selten durch kluge Ratschläge – jedenfalls nicht langfristig.
Die Grundlagen von Liebesformeln sind nicht immer fromme Wünsche und überfordernde Imperative wie bei Peter Lauster. Seit Jahrzehnten studieren vor allem US-amerikanische Forscher das Liebesgeflüster und die Rituale liebender Menschen und beobachten sie wie das Paarungsverhalten einer unbekannten Amphibie oder wie einen Ameisenstaat. Und die Regeln, die sie daraus gewinnen, lesen sich wie die Anleitung für den Betrieb eines Dieselmotors. Einer der Päpste dieser Zunft ist der Psychologe John Mordechai Gottman von der University of Washington. Schon die Prosa seines Wikipedia-Eintrags spricht Bände: »Dr. Gottman hat eine Methode entwickelt, mit der mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit vorausgesagt werden kann, welche neuverheirateten Paare verheiratet bleiben und welche nach vier bis sechs Jahren geschieden sein werden. Die Methode kann auch mit 81 Prozent Genauigkeit voraussagen, welche Ehen sieben bis neun Jahre überstehen.«
Wer diese Methode kennenlernen will, kauft Gottmans Buch über Die 7 Geheimnisse der glücklichen Ehe. In der Buchhandlung findet man sie neben Die fünf Sprachen der Liebe – Wie Kommunikation in der Ehe gelingt; Wie Partnerschaft gelingt-Spielregeln der Liebe; Das Geheimnis wundervoller Beziehungen: Durch unmittelbare Transformation usw. Es muss sich bei der gelingenden Ehe um ein ziemlich offenbares Geheimnis handeln, wenn so viele Bücher es kennen. Erstaunlich nur, dass die Zahl der gelingenden Ehen einfach nicht wachsen will.
Der deutsche Wissenschaftsjournalist Bas Kast, der in Gottmans Studien wissenschaftlich exakte Erkenntnisse sehen möchte, gewinnt aus dessen sieben Geheimnissen fünf »Liebesformeln«. Danach gehören zu einer glücklichen Liebesbeziehung die Faktoren: Zuwendung, Wir-Gefühl, Akzeptanz, Positive Illusionen und Aufregung im Alltag. Dass all dies zu einer guten Beziehung beiträgt, wird gewiss niemand bestreiten. Doch dass
umgekehrt die Voraussetzung dieser fünf Faktoren eine Liebe ausmacht und sichert, wird man auch nicht glauben wollen. Denn ohne Zweifel kann ich all dies auch mit meinen besten Freunden teilen, ganz ohne geschlechtliche Liebe. Es sind Bausteine eines innigen partnerschaftlichen Umgangs, aber sicher keine »Formeln« der Liebe.
Psychologisch
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