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Liebe

Titel: Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Precht
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in so genannten Haremsfamilien mit einem einzigen dominanten Männchen, das sich als einziges fortpflanzt. Die Größe dieser Gruppen schwankt allerdings beträchtlich von vier bis etwa vierzig Tieren. Sind die Jungtiere erwachsen, verlassen sie fast immer die Gruppe, und zwar Männchen wie Weibchen.
    Bei Schimpansen sind die Regeln dagegen lockerer. Zwar gibt es auch hier ein dominantes Männchen, aber die anderen Männchen können durchaus auch zum Schuss kommen und sich mit mehreren Weibchen paaren. Manchmal bewacht ein Männchen ein Weibchen, das es begattet hat. Manchmal ziehen sie sogar eine Zeitlang isoliert von den anderen durch die Büsche. Eine
feste Regel, so scheint es, gibt es dafür nicht. Die Gruppen sind im Durchschnitt etwas größer als bei Gorillas und umfassen etwa 20 bis 80 Mitglieder.
    Eine völlig andere Einstellung zum Sex verraten die Bonobos. Sie leben vergleichsweise geselliger und zahlreicher zusammen als ihre Verwandten. Sex ist für sie geradezu eine Lieblingsbeschäftigung. Sie kopulieren Tag für Tag in allen erdenklichen Stellungen. Jeder darf, wie er will, ganz gleich, welchen Rang er in der Gruppe bekleidet. Allem Anschein nach bauen die Bonobos auf diese Weise Spannungen ab; jedenfalls sind sie, im Vergleich mit Schimpansen, ausgesprochen friedlich.
    Genetisch betrachtet sind Schimpansen und Bonobos etwa gleich weit von uns entfernt. Die Abweichung zu unserem Erbgut beträgt – je nach Studie – zwischen 1,6 und 1,1 Prozent. Etwa den gleichen Unterscheidungsgrad haben Schimpansen und Bonobos auch untereinander. Sollte es richtig sein, dass die Gene der beste Schlüssel sind, um unsere Abstammungslinie zu verstehen, so muss man sagen, dass alle drei Arten, Schimpanse, Bonobo und Mensch, sich untereinander gleich nahe oder fern stehen. Wen also sollen wir als Vorlage für unser Sexualverhalten näher in Betracht ziehen? Der Primatenforscher Frans de Waal sieht den Menschen irgendwo in der Mitte zwischen den »Hierarchien erzwingenden« Schimpansen und den »Hierarchien abschwächenden« Bonobos. Der Mensch, so de Waal, habe das Glück, »zwei innere Affen zu haben«. 10
    Eine viel eindeutigere Antwort dagegen wagt William Allman in seinem bereits erwähnten Buch über die Mammutjäger in der Metro. Für ihn ist klar, dass die Linie zum Menschen vom Gorilla über den Schimpansen führt. Als Beleg dafür sieht er »Lucy«, den bislang vollständigsten Fund eines Australopithecus afrarensis. Lucy lebte vor rund 3 Millionen Jahren in Äthiopien. Mit 90 Zentimetern Höhe war Lucy ausgesprochen zierlich, möglicherweise wog sie nicht mehr als 30 Kilogramm. Männliche Artgenossen von Lucy gibt es nur in Bruchstücken, aber gewiss
waren sie ein Stück größer. Für Allman steht sogar fest, dass sie »doppelt so groß« waren. Und dieser »Größenunterschied zwischen Männchen und Weibchen lässt darauf schließen, dass Lucy und ihre Artgenossen in ähnlichen sozialen Gruppen lebten wie heutige Gorillas«. Und auch ihr »Sexualleben« entspräche demnach der »Art heutiger Gorillas«. 11
    Kann man das folgern? Wohl eher nicht. Zum einen ist die doppelte Größe bei Australopithicenen nicht sicher belegt, zum anderen gibt es den gleichen Größenunterschied wie bei Gorillas auch bei Orang-Utans mit ihrem ganz anderen Gruppenverhalten. Sowohl bei Gorillas wie bei Orangs sind die Männchen im Durchschnitt etwa doppelt so schwer wie die Weibchen. Und eine direkte Abstammungslinie gibt es im Übrigen weder mit der einen noch mit der anderen Art.
    Für Allman dagegen scheint die Sache klar. Erst waren wir Quasi-Gorillas, und dann wurden wir Quasi-Schimpansen. Erstaunlich dabei ist die Kunst, mit der Allman zugleich die Monogamie in unsere Stammesgeschichte hineinmogelt. Je mehr sich die Größe der Geschlechter angeglichen habe, umso monogamer seien sie geworden. Das nun deckt sich nicht im Geringsten mit dem Verhalten von Bonobos und Schimpansen! Und dass der Mensch qua ähnlicher Größe der Geschlechter von Natur aus monogam sei, ist wohl weniger der Natur abgelauscht als der puritanischen Phantasie eines US-amerikanischen Familienvaters. Von Natur aus monogam, so erkannte bereits Friedrich Engels, wäre der Mensch nur, wenn er von den Vögeln abstammte: »Und wenn strenge Monogamie der Gipfel aller Tugend ist, so gebührt die Palme dem Bandwurm, der in jedem seiner 50 bis 200 Proglottiden oder Leibesabschnitte einen vollständigen weiblichen und männlichen Geschlechtsapparat besitzt und

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