Liebe
Pleistozäns erschienen in Ost- und in Südafrika zwei frühe Vormenschen, Homo habilis und Homo rudolfensis. Allem Anschein nach hatten sie sich aus den Australopithecinen
entwickelt, auch wenn die Verwandtschaft unklar ist. Zu einem späteren Zeitpunkt trat in den Savannen Homo erectus auf den Plan, der sich von Afrika aus nach Europa und Asien ausbreitete. Sein mutmaßlicher Nachfolger in Europa war der bekannte Neandertaler, ein robuster, aber durchaus nicht tumber Geselle. Er starb vor etwa 30000 bis 40 000 Jahren aus bislang noch immer ungeklärten Umständen aus. Von allen Homo-Arten weiß man, dass sie in langsam aufsteigender Linie Werkzeuge, wie etwa Faustkeile, benutzten. Und irgendwann lernten sie auch mit dem Feuer umzugehen.
Die Lücke zwischen dem Aussterben des Homo erectus in Afrika vor etwa 300000 Jahren und dem ersten Erscheinen des modernen Menschen Homo sapiens vor etwa 100 000 Jahren schließt seit 1997 der Fund des Homo sapiens idaltu in Äthiopien, unser ältester bekannter direkter Vorfahr. Noch zu seiner Zeit lebten insgesamt wohl nur wenige zehntausend Vormenschen. Nach und nach breiteten sich die Homo sapiens von Afrika immer weiter über die Erde aus. Wie lange vor ihnen schon Homo erectus, erschlossen sie nach und nach völlig andere, zumeist kältere Lebensräume. Sie waren Jäger und Sammler und ernährten sich von Pflanzen, Früchten, Samen, Wurzeln, Pilzen, Eiern, Insekten, Fisch und Aas. Erst in der letzten Phase ihrer Entwicklung mauserten sie sich in mehreren Regionen ihres Verbreitungsgebiets zu echten Großwildjägern. Wie die Neandertaler machten sie in Mitteleuropa Hatz auf das Wisent, auf Mammuts und Wollnashörner.
Vermutlich mit dem Aussterben der beiden letztgenannten Arten wurden unsere Vorfahren in Mitteleuropa sesshaft. Die letzte Eiszeit ging zurück, und die Steinzeitmenschen sattelten nach und nach um auf Ackerbau und Viehzucht. In anderen Regionen ihres Verbreitungsgebiets dagegen galten andere Spielregeln. Die Beutetiere waren andere und auch das Klima. Manche unserer Vorfahren zum Beispiel lebten jahrtausendelang vom Fischfang, andere blieben Jäger und Sammler.
So unterschiedlich ihre Lebensweise war, so verschieden entwickelte sich auch ihre Kultur. Manche lebten in Höhlen, andere in Hütten oder Wohngruben. Sie besiedelten Steppen und Wüsten, Täler und Gebirge, Küsten und Inseln. Wenn das Sein das Bewusstsein bestimmt, wie die evolutionären Psychologen meinen, dann waren die Herausforderungen des Seins an das Bewusstsein sehr verschieden. Früchte im Regenwald zu sammeln oder Fische aus einem Gebirgsbach zu fangen ist nicht ganz das Gleiche, wie etwa Mammuts im Schnee zu jagen. Für die einen war die Kälte die größte Bedrohung, die anderen dagegen froren fast nie. Manche mussten sich vor wilden Tieren schützen, andere hatten in ihrer Umgebung kaum Feinde. (Man denke etwa an die Orang-Utans auf Borneo, die gerne auf den Urwaldboden hinabsteigen, was ihre Kollegen auf Sumatra niemals wagen – denn auf Sumatra gibt es Tiger, auf Borneo dagegen nicht.) Manche Urmenschen lebten möglicherweise immer im selben Umkreis, andere wanderten Tausende von Kilometern hinter den Tierherden her. Manche mochten Kannibalen gewesen sein, und andere begruben in aufwändigen Ritualen ihre Toten. Und während sich die Gehirne der einen auf die Orientierung im dichten Wald spezialisierten, blickten andere hinaus in die unendliche Steppe.
Kurz gesagt: Das Pleistozän ist ein unglaublich großer und völlig uneinheitlicher Zeitraum. Mehrere verschiedene Menschenarten lebten in dieser Zeit in immer neuen und sehr verschiedenen Lebensräumen. Wahrscheinlich lebten sie wie die meisten Affen in kleinen Trupps oder Familienverbänden. Über die genaueren Spielregeln dieser Gemeinschaften wissen wir allerdings sehr wenig. Wenn es richtig sein sollte, dass, wie Leda Cosmides und John Tooby von der University of California in Santa Barbara meinen, »unsere modernen Schädel einen steinzeitlichen Geist« beherbergen, dann stehen wir in der Tat vor einem kaum lösbaren Rätsel. Denn wie der berühmte kenianische Paläoanthropologe Richard Leakey sagt: »Die harte Wirklichkeit,
vor der die Anthropologen stehen, ist die, dass es auf solche Fragen möglicherweise keine Antwort gibt. Wenn es schon schwer genug ist zu beweisen, dass ein anderer Mensch über dieselbe Bewusstseinsebene verfügt wie ich, und wenn die meisten Biologen den Versuch scheuen, den Grad des Bewusstseins bei
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