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Liebe

Titel: Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Precht
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ursprünglichen Lebensbedingungen. Fast jedes so genannte Naturvolk lebt heute in einem Reservat, einem Touristen-Zoo oder hängt am Tropf wohltätiger Organisationen.
    So wenig authentisch im paläoanthropologischen Sinne die verbliebenen Jäger- und Sammlerkulturen heute auch sein mögen, den evolutionären Psychologen geben sie dennoch Aufschluss. So etwa berichtet die US-amerikanische Anthropologin Helen Fisher von der Rutgers University in New Brunswick, New Jersey, von der Teilzeit-Monogamie in Jäger- und Sammlergemeinschaften. Bei Naturvölkern schlössen sich Paare immer nur vier bis fünf Jahre zusammen, nämlich so lange, wie zur Aufzucht eines Kleinkindes notwendig sei. Danach trennen sich die Wege auf der Suche nach einer neuen Zweckgemeinschaft. Für Helen Fisher klingt das so plausibel, dass sie annimmt, unsere Vorfahren hätten gewiss die gleiche Verhaltensweise an den Tag gelegt. Von Natur aus sei der Mensch deshalb lediglich »seriell monogam«. Die eigentlich menschliche Verhaltensweise ist demnach Treue auf Zeit, und Untreue, während die Kinder klein sind, wäre ebenso abartig wie lebenslange Monogamie. Statt dem »verflixten 7. Jahr« gäbe es in Wahrheit ein verflixtes 4. Jahr – und siehe da: die Scheidungsstatistik in den USA weist tatsächlich aus, dass sich die meisten Paare ungefähr nach vier Jahren trennen. Wenn das nicht ein Rudiment
aus der Steinzeit ist! Erst der gemeinsame Besitz von Acker und Vieh brachte Mann und Frau demnach lebenslang zusammen und führte auch zum wechselseitigen sich »Besitzen« der Geschlechter in Form der Ehe. Da dieser Prozess allerdings erst im Holozän vonstattenging, blieb er nach Ansicht von evolutionären Psychologen folgenlos für unser »Liebesmodul« im Gehirn. Denn unsere Steinzeitköpfe waren damals schon längst fertig. Kein Wunder also, dass unsere wahre Natur mehr mit Menschenaffen zu tun hat als mit den Monogamie-Forderungen unserer jungsteinzeitlich-abendländischen Kultur. Im Menschenaffen nämlich erkennen wir den wahren Menschen. Fragt sich nur – in welchem der fünf?

Eine Brücke in den Nebel
    Der Geist unserer Vorfahren liegt nicht versteinert im Boden. Und die einzigen lebenden Zeitzeugen unseres Evolutionsprozesses können nicht mit uns reden. Sie haben sich vor vielen Millionen Jahren von uns getrennt und ihre eigene Entwicklung gemacht: Gibbons, Orang-Utans, Gorillas, Schimpansen und Bonobos. Doch selbst wenn ihr gemeinsamer letzter Vorfahr mit uns vor etwa sieben Millionen Jahren im Urwald blieb, statt sich nach und nach ins offene Grasland des gerade aufreißenden großen Rift Valleys zu begeben, können wir durch sie, so meinen Biologen wie Psychologen, noch immer eine Menge lernen. Bei der Erforschung ihres Familiensinns und ihrer wechselseitigen Hilfe erkennen wir die Ursprünge unserer Moral. »Wenn du mir hilfst, so helfe ich dir irgendwann auch« – der Gedanke, so scheint es, hat einen tierischen Ursprung bei den Menschenaffen. Was Robert Trivers in den 1970er Jahren »reziproken Altruismus« nannte, bestätigt der niederländische Primatenforscher Frans de Waal in ungezählten Studien und Büchern.

    Von Menschenaffen lernen, heißt etwas über die Ursprünge unseres Verhaltens zu lernen. Keine Frage. Doch wie viel verraten uns unsere haarigen Vettern über eine so komplizierte Sache wie unsere menschliche Sexualität und – noch komplexer – die Liebesgefühle zwischen Mann und Frau?
    Die Antwort ist: erschreckend wenig! Nicht nur gleicht das Sexualverhalten von Orangs und Gibbons, Schimpansen, Bonobos und Gorillas nicht dem des Menschen. Es gleicht sich noch nicht einmal untereinander! Beim Sex hören die Gemeinsamkeiten auf. Und jeder Menschenaffe ist anders. Gibbons zum Beispiel sind streng monogam, sie leben in lebenslangen Paarbeziehungen in einem abgezirkelten Territorium. Die Suche nach einem geeigneten Partner kann sich über Jahre hinziehen.
    Für solch eine jungsteinzeitliche Treue zeigen sich die vier anderen Menschenaffen nicht empfänglich. Orang-Utans scheinen auf erstaunliche Art und Weise flexibel. Während die Weibchen dazu neigen, sich Reviere zu suchen, pendeln oder wandern die Männchen in größeren Gebieten umher. Orang-Weibchen können dabei mit ihren Jungtieren ebenso gut einzelgängerisch leben wie in kleineren losen Gruppen. Die Spielregeln erscheinen dabei so locker, dass das Sozialverhalten von Orangs bis heute viele Rätsel aufgibt.
    Gorillas dagegen haben eine feste Struktur. Sie leben

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