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Liebe

Titel: Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Precht
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handelt. Aber er behandelt das Bild nicht wie ein Bild, sondern als eine Tatsache. Immer wieder versucht er den »Egoismus« der Gene zu beweisen. Und seine Gene sind nicht nur Egoisten, sie sind auch Feilscher und Kaufleute, die alles nach zwei Kriterien überprüfen: Was kostet es, und was nützt es? Das klingt tatsächlich so, als habe man es bei der Biologie mit einer Sparte der Wirtschaftswissenschaften zu tun, in der die Gene immer instinktiv die richtige Nase haben.
    Aber könnte nicht zumindest dieser Gedanke irgendwie richtig sein? Sind unsere Gene nicht doch die cleversten aller Händler?

Kapitalistische Reproduktion
    Es gibt eine alte, nicht rostende Liebe zwischen der Evolutionsbiologie und der Wirtschaftstheorie. Sie beginnt nicht erst mit William Hamiltons Doktorarbeit an einer Wirtschaftsuniversität im Jahr 1968. Das Feuer entflammte bereits 120 Jahre zuvor im kapitalistischen England der Königin Viktoria, als Darwin an Über die Entstehung der Arten schrieb. Karl Marx, der in London im Exil lebte, als Darwins Hauptwerk erschien, amüsierte sich nicht wenig darüber, »wie Darwin überall in der Natur seine englische Gesellschaft wiederfindet.« 21 Bei allem Respekt
vor Darwins Werk hatte Marx sehr genau beobachtet, dass Darwin sich bei den Begriffen für seine Evolutionstheorie aus den Gesellschaftswissenschaften ebenso bedient hatte wie aus der Ökonomie.
    Das berühmte Wort vom »Kampf ums Dasein« (struggle for life) zum Beispiel stammte von dem britischen Nationalökonomen Thomas Robert Malthus. Dieser hatte einige Jahrzehnte zuvor die demografische Entwicklung der Weltbevölkerung ins Auge gefasst und ein zutiefst pessimistisches Katastrophenszenario heraufbeschworen. Schon in kurzer Zeit, so prophezeite Malthus 1821, werde die überbevölkerte Erde die Menschheit nicht mehr ernähren können.
    Der aufstrebende Kapitalismus der industriellen Revolution und die aufkeimende Evolutionstheorie von der natürlichen Auslese der Fittesten gingen ein sprachlich enges Verhältnis miteinander ein. Sie bedienten sich wechselseitig aus dem Fundus des jeweils anderen. Natürlich waren Darwins Beobachtungen und Theorien nicht deshalb falsch, weil sie bestimmte gesellschaftliche Vorstellungen der viktorianischen Gesellschaftsordnung stützten. Ungünstig allerdings war, dass seine Ausdrücke und Bilder viele Missverständnisse beförderten, zum Teil bis in die heutige Zeit.
    Die Idee, dass in der Natur Kosten und Nutzen fortwährend miteinander abgewogen werden, stammt tatsächlich von Darwin. Dass aber alles ausschließlich nach Kosten und Nutzen kalkuliert wird, ist eine Idee des US-amerikanischen Soziobiologen Robert Trivers, Professor an der Rutgers University in New Brunswick im US-Bundesstaat New Jersey. Trivers hatte ein abgebrochenes Mathematikstudium und ein Geschichtsstudium hinter sich, als er schließlich noch Biologie studierte. In den 1970er Jahren wurde er Dozent in Harvard. Wie Dawkins in Oxford, so begeisterte sich Trivers in Harvard für Hamiltons Idee der Gesamtfitness.
    Stärker noch als sein Anreger freilich verliebte sich Trivers in
den Jargon der Ökonomen. Von Darwin hatten die Soziobiologen die Vorstellung übernommen, die Konkurrenz sei der entscheidende Motor für die Weiterentwicklung aller Lebensformen. Und Konkurrenz, so der zweite Gedanke, führe unweigerlich zum »Wettrüsten« und zum Fortschritt. Nun ist die Natur, bei Licht betrachtet, nicht gerade ein Beweis für einen kontinuierlichen Fortschritt. Dinosaurier zum Beispiel waren perfekt angepasste, sehr erfolgreiche Lebewesen, die drei große Erdzeitalter überlebten. Menschen dagegen machen nicht gerade den Eindruck, besser an ihre Umwelt angepasst zu sein. Und dass sie den Erfolg der Dinosaurier erreichen, darf bezweifelt werden. Es gibt auch wenige Indizien dafür, dass Intelligenz in der Natur grundsätzlich ein Vorteil ist. Über mehr als hundert Millionen Jahre standen die intelligenteren Säugetiere völlig im Schatten der Dinosaurier, und nur eine zufällige Naturkatastrophe verhalf ihnen zum Durchbruch. Auch heute noch sind Säugetiere nicht besonders zahlreich, verglichen etwa mit Käfern, die wir nach bestem Wissen und Gewissen für ziemlich dumm, aber erfolgreich halten. Bezeichnenderweise bildeten sich zahlreiche Tierklassen im Laufe der Evolution sogar zurück, zum Beispiel Salamander.
    Trivers hingegen beschreibt die Natur als eine ständig expandierende Volkswirtschaft. Und jedes Lebewesen darin ist ein

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