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Liebe

Titel: Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Precht
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unserem biologischen Erbe. Tatsächlich aber gibt es dafür auch viele andere Erklärungen. So etwa kennen die meisten Kulturen in heutiger Zeit die Monogamie als die am breitesten akzeptierte Form der Bindung von Mann und Frau. Ob Judentum, Christentum oder Buddhismus, ob in Süd- und Nordamerika, in Europa oder in vielen Teilen Asiens – überall finden sich monogame Ehevorschriften. Aber das heute als Gebot formulierte Ziel der ehelichen Monogamie beweist keinesfalls monogame Vorfahren in der Steinzeit. Dass sich das Gebot der Monogamie – trotz der eher polygamen Veranlagung des Menschen – so weit durchgesetzt hat, ist nicht die Folge eines evolutionären »Moduls« für Monogamie. Viel wichtiger sind kulturelle Aspekte. Das Judentum predigte die Monogamie, um der Ausbreitung von Seuchen vorzubeugen. Und das römische Recht legte die monogame Ehe verbindlich fest, damit die Frage des Erbrechts einfach geklärt werden konnte. Aus beidem zusammen entwickelte sich unsere abendländischchristliche Ehemoral.
    Wenn die Biologie den Ton für den Menschen darstellt, so ist die Kultur der Töpfer, der etwas aus ihr formt. Und diese Unterschiede zwischen Stoff und Form können sehr beträchtlich sein. Geht es nach vielen Biologen, so liegt der genetische Auftrag
des Mannes, wie gesagt, in der massenhaften Reproduktion. Im Deutschland des Jahres 2008 aber gilt dies nicht. Im April 2008 befragte DER SPIEGEL zweitausend Deutsche: »Was ist wichtiger als Sex?« 35 Nur 40 Prozent der befragten deutschen Männer antworteten darauf mit »Nichts – Sex geht über alles«. Wäre die Biologie in uns so dominant, wie die Greensteins dieser Welt vermuten, und wäre Dawkins’ Theorie des »egoistischen Gens« ebenfalls richtig, so wäre diese Antwort völlig unverständlich. Und dass immerhin 22 Prozent aller befragten deutschen Frauen in ihrem Leben nichts wichtiger finden als Sex, wäre viel zu viel. Noch unerklärlicher wären übrigens die Antworten auf die Frage: »Liegt der Sinn des Lebens in einer glücklichen und harmonischen Partnerschaft?« 63 Prozent der befragten deutschen Frauen bestätigten dies; ein bisschen wenig. Dagegen traf der Satz den Nerv von 69 Prozent der befragten Männer! Nur 56 Prozent der Frauen sahen den Sinn ihres Lebens darin, Kinder zu haben. Was ist mit ihnen los? Streikt das biologische Programm? Bei Männern waren es 48 Prozent.
    Der Denkfehler der Verfechter des egoistischen Gens tritt hier offen zutage: Ohne Zweifel verantwortet unser Erbgut unsere sexuelle Lust. Diese Lust steht im Dienst der Fortpflanzung. Das ist richtig. Aber das Interessante dabei ist: Die Lust selbst weiß gar nichts davon! Sie hat ein ganz eigenes Interesse. Unsere sexuelle Gier agiert nahezu vollkommen losgelöst von ihrem ursprünglichen Vermehrungsauftrag. Statt einer klaren Linie von den Genen über die Lust zur Zeugung haben wir es in Wirklichkeit mit einer Kette zu tun, deren einzelne Glieder ziemlich unabhängig sind. Mit anderen Worten: Ist die Lust in der Welt, dient sie vor allem sich selbst. Sie gleicht einem Boten, der, einmal ausgeschickt, seinen ursprünglichen Auftrag gerne vernachlässigt, weil es in der Welt so viele andere aufregende Abenteuer zu erleben gibt.
    Man könnte nun einräumen, dass es vielleicht schlicht an den Lebensumständen liegt, wenn wir dem genetischen Drang heute
allzu oft einen Strich durch die Rechnung machen. Nicht jeder von uns hat Zeit und Geld für eine Familie. Aber das Argument zieht nicht richtig. Denn wenn es richtig wäre, dass unsere Gene uns unausgesetzt zur Vermehrung drängen, warum ordnen wir nicht alle unsere anderen Bedürfnisse diesem Drängen unter? Wie schaffen wir es, unsere egoistischen Gene unter Verschluss zu halten? Und wo in aller Welt findet in unserem Gehirn eigentlich dieser Dialog zwischen Genen und Vernunft statt, als dessen Resultat wir so oft aus der Art schlagen? Auf diese Frage wissen die evolutionären Psychologen gemeinhin keine Antwort, und sie stellen sie auch gar nicht erst. Für sie hat die Kultur zwar ein Mitsprache- und mitunter auch ein Vetorecht gegen den biologischen Trieb. Aber wie dieser »Krieg der Welten« im Detail vonstattengehen soll, dazu fällt ihnen nichts ein.
    Ich dagegen möchte vorschlagen, dass es diesen Krieg gar nicht gibt. Unsere Gene sind nicht so platt egoistisch, wie oft angenommen. Und sie manipulieren uns auch viel weniger, als von den evolutionären Psychologen behauptet. Möglicherweise ist bereits unser Erbgut

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