Lieben: Roman (German Edition)
was natürlich sofort dazu führte, dass sie Namen hören wollten. Norwegische Jazzmusiker? Gab es außer Jan Garbarek noch andere? Zum Glück erkannte ich, dass sie den gerade nicht meinten, woraufhin mir Bugge Wesseltoft einfiel, über den Espen einmal gesprochen hatte und den er darüber hinaus zu einem Fest der
Literaturzeitschrift Vagant eingeladen hatte, auf dem ich las. Dazu nickten sie, er war gut, und ich atmete erleichtert auf und ging, um mich allein in einen Sessel zu setzen. Daraufhin kam eine dunkelhaarige Frau mit einem breiten Gesicht und einem großen Mund und intensiven braunen Augen in einem geblümten Kleid zu mir und fragte mich, ob ich der Schriftsteller aus Norwegen sei? Allerdings. Was ich von Jan Kjærstad, John Erik Riley und Ole Robert Sunde hielt?
Ich sagte ihr, was ich von ihnen hielt.
»Meinen Sie wirklich?«, sagte sie.
»Ja«, antwortete ich.
»Warten Sie kurz«, sagte sie. »Ich will nur meinen Mann holen. Er schreibt über Literatur und interessiert sich sehr für Riley. Warten Sie. Ich bin gleich zurück.«
Ich folgte ihr mit den Augen, als sie sich an den Leuten vorbei Richtung Küche zwängte. Was hatte sie gesagt, wie hieß sie noch gleich? Hilda? Nein. Wilda? Nein, verdammt. Gilda. Das sollte man sich doch nun wirklich merken können.
Dann tauchte sie erneut im Gewimmel auf, diesmal mit einem Mann im Schlepptau. Oh, erkannte ich diesen Typus nicht auf den ersten Blick? Man sah schon von weitem, dass er an der Universität war.
»Jetzt können Sie ihm sagen, was Sie mir gesagt haben!«, erklärte Gilda.
Das tat ich. Aber ihre Leidenschaft war bei ihm wie bei mir vergeudete Liebesmüh, weshalb ich mich, als das Gespräch ins Stocken geriet, was ziemlich schnell der Fall war, entschuldigte und in die Küche ging, um mir etwas zu essen zu holen, da die Schlange dort mittlerweile kürzer geworden war. Geir unterhielt sich mit jemandem am Fenster, Linda mit ein paar anderen vor dem Bücherregal. Ich selbst setzte mich auf die Couch und nagte an einem Hähnchenschenkel, als ich dem Blick einer dunkelhaarigen jungen Frau begegnete, die dies
als Einladung auffasste, denn im nächsten Moment stand sie vor mir.
»Wer sind Sie?«, sagte sie.
Ich schluckte, legte den Hähnchenschenkel auf den Pappteller und blickte zu ihr auf. Ich versuchte, mich auf der weichen und tiefen Couch ein wenig aufzusetzen, ohne dass mir dies gelingen wollte, ich schien eher ein wenig zur Seite zu fallen. Außerdem glänzten meine Wangen bestimmt vom Hähnchenfett.
»Karl Ove«, sagte ich. »Ich komme aus Norwegen. Bin gerade erst hergezogen. Vor ein paar Wochen. Und Sie?«
»Melinda.«
»Und was machen Sie so?«
»Ich bin Schauspielerin.«
»Aha!«, sagte ich mit einer Stimme, in der mitschwang, was noch von meiner Bergman-Euphorie geblieben war. »Spielen Sie in der Aufführung von Romeo und Julia mit?«
Sie nickte.
»Wen spielen Sie?«
»Julia.«
»Aha!«
»Da sehen Sie Romeo«, sagte sie.
Ein schöner, muskulöser Mann ging auf sie zu. Er gab ihr Wangenküsse und sah mich an.
Diese verdammte Couch. Ich fühlte mich darauf wie ein Zwerg.
Ich nickte und lächelte. Er nickte auch.
»Hast du schon etwas gegessen?«, sagte er.
»Nein«, antwortete sie, und damit waren die beiden fort. Ich hob den Hähnchenschenkel erneut zum Mund. Hier konnte man nichts anderes tun als trinken.
Bevor ich ging, sah ich mir als Letztes gemeinsam mit einer Pferdehomöopathin mit tiefem Ausschnitt ein Fotoalbum an.
Der Alkohol hatte mich nicht elektrisiert, wie er es meistens tat, nicht in diese Stimmung versetzt, in der alles gut war und nichts mich an etwas hindern konnte, sondern in den Brunnen meines Geists sinken lassen, aus dem mich nichts von dem, was ich in mir barg, befreien konnte. Es passierte nur eins, alles wurde immer vager und verschwommener. Am nächsten Tag war ich sehr dankbar, die Geistesgegenwart besessen zu haben, nach Hause zu gehen und nicht in der Hoffnung sitzen zu bleiben, dass sich noch irgendetwas Interessantes ergeben würde und zu warten, bis alle gegangen waren. Linda betrachtete ich als verloren, wir hatten kaum ein Wort miteinander gewechselt an diesem Abend, den ich größtenteils in Gedanken versunken in diesem Sessel verbracht hatte, der in meinen Gedanken mit der Zeit zu »meinem« wurde, und meine wenigen Äußerungen, die auf einer Postkarte Platz gefunden hätten, wären keiner Frau der Welt interessant erschienen. Trotzdem rief ich sie am nächsten Abend an, um mich
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