Lieben: Roman (German Edition)
für die Einladung zu bedanken. Und da, während ich das Handy ans Ohr hielt und auf Stockholm hinausblickte, das sich unter mir ausbreitete, beleuchtet vom satten roten Licht der untergehenden Sonne, kam es zu einem schicksalsschwangeren Moment. Ich hatte Hallo, danke für die Einladung, es war eine nette Party, gesagt, sie hatte sich dafür bedankt und gesagt, dass sie es auch nett gefunden habe, und hinzugefügt, sie hoffe, es habe mir gefallen. Das hat es, sagte ich. Dann wurde es still. Sie sagte nichts, ich sagte nichts. Sollte ich das Gespräch beenden? Das war mein natürlicher Impuls, ich hatte gelernt, in solchen Situationen möglichst wenig zu sagen. So sagte man wenigstens nichts Falsches. Oder sollte ich weitersprechen? Die Sekunden vergingen. Hätte ich gesagt, tja, na gut, ich wollte mich nur kurz bedanken, und dann aufgelegt, wäre es höchstwahrscheinlich vorbei gewesen. So sehr glaubte ich, es am Vorabend versaut zu haben. Aber was hatte ich eigentlich zu verlieren?
»Was machst du gerade?«, fragte ich nach dieser in jeder Hinsicht bemerkenswert langen Pause.
»Ich gucke Eishockey im Fernsehen«, antwortete sie.
»Eishockey?«, sagte ich. Und daraufhin unterhielten wir uns eine weitere Viertelstunde. Und verabredeten, uns wieder zu treffen.
Das taten wir, aber es passierte nichts, es gab keine Spannungen, oder vielmehr, die Spannungen waren so groß, dass sie uns nicht von der Stelle kommen ließen, und es kam mir vor, als säßen wir in ihnen fest, in all dem, was wir einander sagen wollten, aber nicht sagen konnten.
Höflichkeitsfloskeln. Kleine Öffnungen zu etwas anderem, ihrem Alltag, ihre Mutter lebte in der Stadt, ebenso ihr Bruder und alle ihre Freunde. Abgesehen von einem halben Jahr in Florenz hatte sie ihr ganzes Leben in Stockholm verbracht. Wo hatte ich gelebt?
Arendal, Kristiansand, Bergen. Ein halbes Jahr auf Island, vier Monate in Norwich.
Hatte ich Geschwister?
Einen Bruder, eine Halbschwester.
Du warst verheiratet, nicht wahr?
Stimmt. In gewisser Weise bin ich das immer noch.
Oh.
An einem frühen Abend Mitte April rief sie an und fragte, ob ich Lust hätte, sie zu treffen. Natürlich. Ich bin mit Geir und Christina aus, sagte ich, wir sitzen im Guldapan, erläuterte ich, willst du nicht zu uns stoßen?
Eine halbe Stunde später war sie da.
Sie strahlte.
»Ich bin an der Staatlichen Bühnen- und Medienhochschule angenommen worden«, sagte sie. »Ich freue mich wahnsinnig,
das ist wirklich fantastisch. Und da habe ich solche Lust bekommen, dich zu treffen«, sagte sie und sah mich an.
Ich lächelte sie an.
Wir waren den ganzen Abend aus, betranken uns, liefen gemeinsam zu mir nach Hause, ich umarmte sie vor der Haustür und ging in meine Wohnung hinauf.
Am nächsten Tag rief Geir an.
»Die Frau ist in dich verliebt, Mann«, sagte er. »Das sieht man doch schon von weitem. Es war das Erste, was Christina meinte, als wir nach Hause kamen. Sie strahlt ja regelrecht, hat sie gesagt. Sie ist bis über beide Ohren in Karl Ove verliebt.«
»Das glaube ich nicht«, widersprach ich. »Sie war nur froh, dass sie an der Hochschule angenommen worden ist.«
»Und warum sollte sie dann ausgerechnet dich anrufen, wenn es nur darum ginge?«
»Woher soll ich das wissen. Warum rufst du sie nicht an und fragst sie?«
»Und wie sieht es mit deinen Gefühlen aus?«
»Gut.«
Linda und ich gingen ins Kino und sahen aus irgendeinem idiotischen Grund den neuen Star-Wars -Film, dessen Zielgruppe Kinder waren, und nachdem wir das festgestellt hatten, gingen wir zur Volksoper, wo wir zusammensaßen, ohne viel zu sagen.
Auf dem Heimweg war ich deprimiert, denn ich hatte es unglaublich satt, dass alles in mir blieb und ich unfähig war, anderen Menschen auch nur die einfachsten Dinge zu sagen.
Das ging vorüber. Es ging mir gut mit mir allein, die Stadt war noch neu für mich, es war Frühling geworden, alle zwei Tage um zwölf zog ich meine Joggingschuhe an und lief rund um Södermalm, was etwa zehn Kilometer waren, alle zwei
Tage schwamm ich tausend Meter. Ich hatte zehn Kilo abgenommen und wieder angefangen zu schreiben. Ich stand um fünf Uhr morgens auf und rauchte eine Zigarette und trank eine Tasse Kaffee auf der Dachterrasse, von der aus man Aussicht auf ganz Stockholm hatte, und arbeitete danach bis zwölf, lief oder schwamm, und ging anschließend in die Stadt und setzte mich in ein Café und las oder ging spazieren, wenn ich mich denn nicht mit Geir traf. Um halb
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