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Lieben: Roman (German Edition)

Lieben: Roman (German Edition)

Titel: Lieben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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unverkennbar ich, der ich damals eine tote Möwe fand, die ich Vater zeigte, der erzählte, die Möwen seien früher Engel gewesen, und dann verließen wir die Insel mit einem Eimer voller lebender und krabbelnder Krabben auf dem Boden des Boots. Geir Gulliksen hatte gesagt, »da hast du deinen Romananfang«, und damit hatte er sicher Recht, aber ich
wusste nicht, wohin er führen sollte, und damit hatte ich in den letzten Monaten gekämpft. Ich hatte über eine Frau auf einer Entbindungsstation in den vierziger Jahren geschrieben; das Kind, das sie zur Welt gebracht hatte, war Henrik Vankels Vater, und das Haus, das sie erwartete, wenn sie mit dem Kind nach Hause kommen würde, war ursprünglich eine alte Bruchbude voller Flaschen gewesen, die sie abgerissen hatten, um ein neues Haus zu bauen. Aber das war nicht echt, das klang alles falsch, ich war auf Irrwegen. Als Nächstes versuchte ich, die Linie woanders zu ziehen, in dasselbe Haus, in dem nachts zwei Brüder liegen, ihr Vater ist gestorben, der eine liegt da und betrachtet den anderen, schlafenden. Das klang genauso falsch, und meine Verzweiflung wuchs, würde es mir jemals gelingen, einen zweiten Roman zu schreiben?
    Am ersten Montag nach meiner Rückkehr aus London sagte ich Linda, dass wir uns am nächsten Abend nicht würden treffen können, da ich die Nacht durcharbeiten wolle. Das ging in Ordnung. Gegen neun schickte sie eine SMS, ich antwortete, sie schickte noch eine, war mit Cora ausgegangen, die beiden saßen in einem Lokal irgendwo in der Nähe und tranken ein Bier, ich schrieb, sie solle es sich gut gehen lassen und dass ich sie liebe, zwei weitere SMS wurden gewechselt, dann herrschte Ruhe, und ich dachte, sie wäre nach Hause gegangen. Aber das hatte sie keineswegs getan, denn gegen zwölf klopfte sie an meine Tür.
    »Du bist es?«, sagte ich. »Habe ich dir nicht gesagt, dass ich schreiben will?«
    »Ja, aber du hast so warm und liebevoll gesimst. Da habe ich gedacht, du wolltest, dass ich zu dir komme.«
    »Ich muss arbeiten«, sagte ich. »Das ist mein Ernst.«
    »Das verstehe ich doch«, sagte sie und hatte bereits Jacke und Schuhe ausgezogen, »aber kann ich nicht einfach hier schlafen, während du arbeitest?«
    »Du weißt genau, dass ich das nicht kann. Ich kann nicht einmal mit einer Katze im selben Raum schreiben.«
    »Du hast es noch nie mit mir im Zimmer versucht. Vielleicht habe ich ja einen guten Einfluss auf dich!«
    Obwohl ich wütend war, schaffte ich es nicht, Nein zu sagen. Dazu hatte ich nicht das Recht, denn damit hätte ich gesagt, dass dieses elende Manuskript, an dem ich schrieb, wichtiger war als sie. In diesem Moment war es das auch, aber das konnte ich natürlich nicht sagen.
    »Okay«, meinte ich.
    Wir tranken Tee und rauchten am offenen Fenster, dann zog sie sich aus und ging ins Bett. Das Zimmer war klein, der Schreibtisch stand kaum einen Meter entfernt, ich konnte mich unmöglich konzentrieren, solange sie im Zimmer war, und dass sie gekommen war, obwohl sie wusste, ich wollte es nicht, löste in mir das Gefühl aus, fast zu ersticken. Andererseits wollte ich mich auch nicht hinlegen, sie nicht gewinnen lassen, so dass ich nach einer halben Stunde aufstand und ihr sagte, ich würde hinausgehen, es war eine Demonstration, es war meine Art, ihr zu sagen, dass ich nicht einverstanden war, und so ging ich durch die nebligen Straßen Södermalms, kaufte an einer Tankstelle eine Brühwurst, setzte mich in den Park unterhalb der Wohnung und rauchte in schneller Folge fünf Zigaretten, während ich auf die glitzernde Stadt unter mir blickte und mich fragte, was zur Hölle vorging. Wie zum Teufel war ich hier gelandet?
    In der nächsten Nacht arbeitete ich bis zum Morgen, schlief den ganzen Tag, war zwei Stunden bei ihr, ging wieder zu mir hinauf und schrieb die ganze Nacht, schlief und wurde am Nachmittag von Linda geweckt, die reden wollte. Wir gingen spazieren.
    »Willst du nicht mehr mit mir zusammen sein?«, sagte sie.
    »Doch, klar«, sagte ich.
    »Aber wir sind nicht zusammen. Wir sehen uns ja kaum noch.«
    »Ja, aber ich muss nun einmal arbeiten. Das wirst du ja wohl verstehen.«
    »Nein, nicht dass du nachts arbeiten musst. Ich liebe dich, und deshalb will ich mit dir zusammen sein.«
    »Aber ich muss arbeiten«, sagte ich erneut.
    »Okay«, sagte sie. »Wenn du so weitermachst, ist es aus.«
    »Das kann jetzt nicht dein Ernst sein.«
    Sie sah mich an.
    »Scheiße, natürlich ist das mein Ernst. Probier’s

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