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Lieben: Roman (German Edition)

Lieben: Roman (German Edition)

Titel: Lieben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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ein paar Stunden des zweiten freundlich, wandte sich dann jedoch von ihnen ab, strahlte diese Feindseligkeit aus, die mich in den Wahnsinn treiben konnte, nicht, wenn sie ausschließlich mich traf, denn ich war sie gewöhnt und konnte mit ihr umgehen, sondern wenn sie andere traf. Dann musste ich mich einschalten und versuchen, Linda zu besänftigen, versuchen, Yngve zu beschwichtigen und alles in Gang zu halten. Es waren noch sechs Wochen bis zum Geburtstermin, sie wollte ihre Ruhe haben und fand, dass sie ein Recht darauf hatte, und vielleicht hatte sie das, was wusste ich, aber das hieß doch noch lange nicht, dass man aufhören konnte, seine Gäste anständig zu behandeln? Gastfreundschaft, dass Menschen zu uns kommen und solange bleiben durften, wie sie wollten, war mir wichtig, und ich begriff nicht, wie es möglich war, was Linda da trieb. Oder doch: ich verstand schon, was passierte: Zum einen würde sie bald niederkommen und wollte niemanden im Haus haben, zum anderen standen Yngve und sie sich wirklich nicht nahe. Yngve hatte ein enges und gutes Verhältnis zu Tonje gehabt, was für Linda nicht galt, und das merkte sie natürlich, aber warum zum Teufel musste sie sich dementsprechend verhalten? Warum konnte sie ihre Gefühle nicht für sich behalten und in eine Rolle schlüpfen? Meine Familie freundlich behandeln? Behandelte ich ihre etwa nicht freundlich? Hatte ich jemals gesagt, dass sie möglicherweise etwas zu oft da waren und sich in unendlich viele Dinge einmischten, die sie nichts angingen? Lindas Familie und Freunde waren
tausend Mal öfter bei uns als meine, das Verhältnis war eins zu tausend, und dennoch, obwohl das Ungleichgewicht irrsinnig war, konnte sie nicht, wollte sie nicht, wandte sie sich ab. Warum? Weil ihr Handeln von ihren Gefühlen bestimmt wurde. Aber Gefühle sind dazu da, unterdrückt zu werden.
    Ich sagte nichts, behielt all meine Vorwürfe und all meine Wut für mich, und als Yngve und die Kinder fuhren und Linda von Neuem fröhlich und leicht und erwartungsvoll wurde, bestrafte ich sie nicht, indem ich Abstand hielt und schroff war, wie es meinem natürlichen Impuls entsprochen hätte, nein, im Gegenteil, ich ließ die Sache fallen, ließ Uneinsichtigkeit Uneinsichtigkeit sein, und wir verbrachten im Advent und zwischen den Jahren eine schöne Zeit zusammen.
     
    An diesem letzten Abend des Jahres 2003, an dem ich in der Küche auf und ab lief und das Essen vorbereitete, während Geir auf einem Stuhl saß, plauderte und mir dabei zusah, gab es das Leben nicht mehr, das ich zurückgelassen hatte, als ich Bergen verließ. Was mich nun umgab, war alles in irgendeiner Weise mit den beiden Menschen verbunden, die ich damals im Grunde gar nicht gekannt hatte. In erster Linie natürlich Linda, mit der ich heute mein Leben teilte, aber auch Geir. Ich hatte mich von ihm beeinflussen lassen, und das nicht zu knapp, und es konnte ein unangenehmer Gedanke sein, dass ich so leicht zu beeinflussen war, dass sich mein Blick so leicht von dem anderer färben ließ. Manchmal dachte ich, dass er wie einer dieser Schulkameraden in meiner Kindheit war, mit denen man nicht spielen durfte. Du hältst dich fern von ihm, Karl Ove, er hat einen schlechten Einfluss auf dich.
    Ich platzierte die letzte Hummerhälfte auf dem Teller, legte das Messer fort und wischte mir den Schweiß von der Stirn.
    »So«, sagte ich. »Fehlt nur noch die Dekoration.«
    »Wenn die Leute wüssten, was du hier treibst«, sagte Geir.
    »Wie meinst du das?«
    »Der Beruf des Schriftstellers wird im Allgemeinen als etwas Spannendes und Erstrebenswertes betrachtet. Du dagegen verbringst einen Großteil deiner Zeit mit Putzen und Kochen.«
    »Wohl wahr«, sagte ich. »Aber jetzt schau dir mal an, wie schön das wird!«
    Ich viertelte die Zitronen und legte die Schnitze zwischen die Hummer, riss ein paar Zweige Petersilie ab und drapierte sie daneben.
    »Die Leute wollen skandalöse Autoren haben, verstehst du. Du musst das Theatercafé in Oslo mit einem Harem junger, dich umschwärmender Frauen betreten. Das wird von dir erwartet. Nicht, dass du hier herumstehst und dich um deine verdammten Putzeimer kümmerst … Die größte Enttäuschung in der norwegischen Literatur dürfte so gesehen übrigens Tor Ulven gewesen sein, der nicht einmal ausging! Ha ha ha!«
    Sein Lachen war ansteckend. Ich lachte auch.
    »Und der sich zu allem Überfluss auch noch umgebracht hat!«, fuhr er fort. »Ha ha ha!«
    »Ha ha ha!«
    »Ha ha ha! Aber

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