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Lieben: Roman (German Edition)

Lieben: Roman (German Edition)

Titel: Lieben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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dir den Kilopreis zu sagen.«
    Die Kartoffeln waren so klein, dass sie nicht mehr als zehn Minuten im Ofen benötigen würden, so dass ich die Bratpfanne auf die Herdplatte stellte und den Broccoli in den Topf legte, in dem das Wasser in Wallung geriet.
    »Ich kann den Tisch decken«, sagte sie. »Essen wir im Wohnzimmer?«
    »In Ordnung.«
    Sie stand auf und holte zwei von den grünen Tellern und zwei Weingläser aus dem Schrank und nahm sie mit ins Wohnzimmer. Ich folgte ihr mit der Weinflasche und dem Mineralwasser. Als ich den Raum betrat, stellte sie den Kerzenständer auf den Tisch.
    »Hast du ein Feuerzeug?«
    Ich nickte, suchte es aus der Tasche heraus und reichte es ihr.
    »Das schafft ein bisschen Atmosphäre, nicht?«, sagte sie und lächelte.
    »Stimmt«, antwortete ich, öffnete die Weinflasche und schenkte mir ein Glas ein.
    »Nur schade, dass du keinen trinken kannst«, sagte ich.
    »Einen Schluck darf ich mir schon gönnen«, sagte sie. »Um ihn zu schmecken. Aber ich warte damit lieber bis zum Essen.«
    »Okay«, sagte ich.
    Auf dem Weg zur Küche blieb ich erneut vor Vanjas Bett stehen. Jetzt lag sie auf dem Rücken, beide Arme seitlich ausgestreckt, als wäre sie aus großer Höhe abgeworfen worden. Ihr Kopf war kugelrund und der kurze Körper ausgesprochen
fett. Die Krankenschwester hatte bei der letzten Kontrolle vorgeschlagen, sie etwas auf Diät zu setzen, dass sie vielleicht nicht jedes Mal Milch bekommen musste, wenn sie schrie.
    Die Leute in diesem Land waren wirklich nicht mehr ganz bei Trost.
    Ich lehnte mich an die Wand und beugte mich über sie. Sie schlief mit offenem Mund und atmete mit kurzem Schnorcheln. Manchmal sah ich Züge von Yngve in ihrem Gesicht, aber das kam und ging; ansonsten ähnelte sie kein bisschen mir und meiner Familie.
    »Ist sie nicht hübsch?«, sagte Linda und strich mir im Vorbeigehen über die Schulter.
    »Doch«, sagte ich. »Aber ich bin mir nicht sicher, wozu das gut sein soll.«
    Als die Ärztin sie wenige Stunden nach der Geburt untersuchte, hatte Linda versucht, sie soweit zu bringen, nicht nur zu sagen, dass Vanja ein hübsches Kind war, sondern ein besonders hübsches Kind. Der routinierte Klang in der Stimme der Ärztin, als sie Linda zustimmte, störte sie nicht. Ich hatte sie damals ein wenig erstaunt angesehen. Wirkten sich ihre mütterlichen Gefühle so aus, dass jegliche Rücksicht dem einen weichen musste?
    Oh, eine Zeit lang war es so gewesen. Der Umgang mit Kleinkindern war für uns so ungewohnt, dass jede kleinste Aktion mit Ängstlichkeit und Freude verbunden war.
    Inzwischen hatten wir uns daran gewöhnt.
    In der Küche stieg von der dunkelbraun gewordenen Butter in der Pfanne Rauch auf. Aus dem Topf daneben dampfte es. Der Deckel klapperte am Rand. Ich legte die beiden Fleischstücke zischend in die Pfanne, holte die Kartoffeln aus dem Ofen und gab sie in eine Schüssel, goss das Wasser aus dem Topf mit Broccoli ab, ließ ihn ein paar Sekunden auf der
Platte ausdampfen, wendete die Entrecôtes, erkannte, dass ich die Champignons vergessen hatte, holte eine zweite Bratpfanne heraus, legte die Pilze zusammen mit zwei halbierten Tomaten hinein, und stellte die Platte auf die höchste Stufe. Danach öffnete ich das Fenster, um den Bratendunst auszulüften, der unmittelbar darauf regelrecht aus dem Raum gerissen wurde. Legte die Entrecôtes zusammen mit dem Broccoli auf eine weiße Platte und steckte den Kopf aus dem Fenster, während ich auf die Champignons wartete. Die kalte Luft legte sich straff um mein Gesicht. Die Büros auf der anderen Straßenseite lagen dunkel und leer, auf dem Bürgersteig darunter bewegten sich dagegen dick vermummt und schweigend Menschen. Ein paar saßen an einem Tisch im hinteren Teil des Restaurants, das mit Sicherheit nicht besonders gut lief, während die Köche im angrenzenden Raum, für die Gäste unsichtbar, aber nicht für mich, mit ihren schnellen, niemals zögernden Bewegungen zwischen Arbeitsflächen und Herden hin und her gingen. Vor dem Eingang zum Jazzclub Nalen nebenan hatte sich eine kleine Schlange gebildet. Ein Mann mit einer Kappe kam aus einem Übertragungswagen des Schwedischen Rundfunks und ging hinein. Irgendetwas, vermutlich ein Ausweis, hing an einer Schnur um seinen Hals. Ich drehte mich um und rüttelte ein wenig an der Pfanne mit den Champignons, damit sie sich drehten. In dieser Gegend wohnten kaum Leute, sie bestand größtenteils aus Bürogebäuden und Geschäften, und wenn diese am

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