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Lieben: Roman (German Edition)

Lieben: Roman (German Edition)

Titel: Lieben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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erwiderte er, »aber ich möchte eure Einladung gerne erwidern und euch zum Essen einladen. Könntet ihr am Dienstag?«
    Ich begegnete Lindas Blick. Es war ihre Entscheidung.
    »Ja, da können wir«, sagte sie.
    »Also abgemacht«, sagte er. »Am Dienstag um fünf.«
    Auf dem Weg zum Flur schaute er durch die offene Tür zum Schlafzimmer und blieb stehen.
    »Hast du auch das Zimmer gestrichen?«
    »Ja«, sagte ich.
    »Darf ich mal gucken?«
    »Natürlich«, sagte ich.
    Wir gingen hinter ihm hinein. Er stellte sich ins Zimmer und blickte zu der Wand hinter dem klobigen Kachelofen hinauf.
    »Ich würde sagen, das ist nicht leicht gewesen, da zu streichen«, meinte er. »Aber es sieht schön aus!«
    Vanja gab einen leisen Ton von sich. Sie lag auf meinem
Arm, so dass ich ihr Gesicht nicht sehen konnte, weshalb ich sie aufs Bett legte. Sie lächelte. Roland setzte sich auf die Bettkante und legte die Hand um ihren Fuß.
    »Möchtest du sie mal halten?«, sagte Linda. »Das darfst du gerne tun, wenn du möchtest.«
    »Nein«, sagte er. »Ich habe sie jetzt gesehen.«
    Dann stand er auf, ging in den Flur und zog seinen Mantel an. Bevor er ging, umarmte er mich. Seine Bartstoppel stachen auf meiner Wange.
    »Es war nett, dich kennenzulernen, Karl Ove«, sagte er, umarmte Linda und griff noch einmal nach Vanjas Fuß. Und entfernte sich in seinem langen Mantel die Treppe hinunter.
    Linda wich meinem Blick aus, als sie mir Vanja reichte, um ins Wohnzimmer zu gehen und den Tisch abzudecken. Ich folgte ihr.
    »Wie findest du ihn?«, sagte sie beim Abräumen ins Zimmer hinein.
    »Er ist ein feiner Mann«, sagte ich, »aber ihm fehlt jeder Filter zur Welt. Ich glaube nicht, dass ich jemals einen Menschen gesehen habe, der so verletzlich ist.«
    »Er ist wie ein Kind, nicht wahr?«
    »Ja. Das kann man wohl sagen.«
    Sie ging mit den drei ineinander gestapelten Kaffeetassen in der einen Hand, dem Korb mit Zimtschnecken in der anderen an mir vorbei.
    »Da hat Vanja schon einen besonderen Opa«, sagte ich.

»Ja, wie soll das gehen?«, sagte sie. Es lag keine Ironie in ihrer Stimme, die Frage kam direkt aus der Finsternis in ihrem Herzen.
    »Gut wird das gehen«, sagte ich.
    »Ich will aber nicht, dass er ein Teil unseres Lebens wird«, erklärte sie und stellte die Tassen in die Spülmaschine.
    »Wenn wir es so halten wie heute, ist das doch völlig in
Ordnung«, sagte ich. »Ab und zu eine Einladung zum Kaffee. Und ab und zu eine Einladung zum Essen bei ihm. Er ist trotz allem ihr Großvater.«
    Linda machte die Spülmaschine zu, zog eine durchsichtige Plastiktüte aus der untersten Schublade und legte die drei übrig gebliebenen Zimtschnecken hinein, knotete sie zu und ging an mir vorbei, um sie im Flur in die Gefriertruhe zu legen.
    »Damit wird er sich nur leider nicht zufriedengeben, das weiß ich. Hat er erst einmal Kontakt aufgenommen, fängt er an, uns anzurufen. Und das tut er wiederum nur, wenn er abdriftet. Er kennt keine Grenzen. Das musst du wissen.«
    Sie ging ins Wohnzimmer, um die letzten Teller zu holen.
    »Wir können es doch immerhin mal versuchen«, sagte ich hinter ihr. »Dann sehen wir ja, was passiert, oder?«
    »Okay«, antwortete sie.
    Im selben Moment klingelte es.
    Was war jetzt? Mal wieder die verrückte Nachbarin?
    Aber es war Roland. Seine Augen waren verzweifelt.
    »Ich komme nicht aus dem Haus«, sagte er. »Ich finde den Schalter für das Schloss nicht. Ich habe da unten überall gesucht. Aber er ist nirgendwo. Kannst du mir helfen?«
    »Natürlich«, sagte ich. »Ich muss nur kurz Vanja an Linda weiterreichen.«
    Danach zog ich mir Schuhe an und folgte ihm in den Hausflur, zeigte ihm, wo sich der Schalter für das Schloss befand, rechts an der Wand, direkt vor der ersten Tür.
    »Das werde ich mir fürs nächste Mal merken«, sagte er. »Rechts von der ersten Tür.«
    Drei Tage später aßen wir in seiner Wohnung. Er zeigte uns die Wand, die er gestrichen hatte, und strahlte zufrieden, als ich seine Arbeit lobte. Das Essen musste er noch vorbereiten, und Vanja lag schlafend im Flur, so dass Linda und ich eine Weile alleine im Wohnzimmer saßen und uns unterhielten,
während er in der Küche beschäftigt war. An der Wand hingen Jugendbilder von Linda und ihrem Bruder und daneben Zeitungsartikel und Interviews, die sie aus Anlass ihrer ersten Bücher gegeben hatten. Denn auch ihr Bruder hatte ein Buch veröffentlicht, 1996, wie Linda, aber seither nichts mehr herausgegeben.
    »Er ist so stolz auf

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