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Lieben: Roman (German Edition)

Lieben: Roman (German Edition)

Titel: Lieben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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Blicks war, senkte ich den Kopf und schaute auf die Tischplatte. Ich hatte nichts gegen sie, wollte im Moment nur nicht mit ihr reden. Sie war lange eine von Lindas besten Freundinnen gewesen, die beiden hatten sogar eine Zeit lang zusammen gewohnt, und am Anfang meiner Beziehung hatten wir relativ viel Zeit zusammen verbracht. Eine Weile hatte sie viel mit dem Vertigo Verlag zu tun gehabt, aber mir war niemals wirklich klar geworden, was sie dort eigentlich machte. Auf einem ihrer Buchumschläge gab es jedenfalls Bilder von ihr, auf einem Buch von Marquis de Sade, ansonsten arbeitete sie ein paar Tage die Woche in der Buchhandlung Hedengren und hatte kürzlich mit einer Freundin eine Firma gegründet, die auch in irgendeiner Form mit Literatur zu tun hatte. Sie war unberechenbar und labil, allerdings nicht auf eine krankhafte Art, es war eher ein Überschuss an Leben, der dazu führte, dass man niemals
wusste, was sie sagen oder tun würde. Eine bestimmte Seite Lindas passte perfekt zu ihr. Es war typisch, wie die beiden sich kennen gelernt hatten. Linda hatte sie in der Stadt angesprochen, die beiden hatten sich vorher noch nie gesehen gehabt, aber Linda fand, dass Gilda interessant aussah, und ging zu ihr hin, und daraufhin wurden sie Freundinnen. Gilda hatte breite Hüften, große Brüste, dunkle Haare und lateinamerikanische Gesichtszüge, ihr Äußeres erinnerte stark an einen Frauentyp aus den fünfziger Jahren, und mehr als ein bekannter Stockholmer Schriftsteller hatte ihr bereits den Hof gemacht, aber durch dieses Aussehen schlug oftmals etwas auffallend Mädchenhaftes durch, etwas Unerzogenes, Mürrisches, Wildes. Cora, mit ihrem zarteren Wesen, hatte einmal gesagt, dass sie Angst vor ihr hatte. Gilda war mit einem Literaturstudenten namens Kettil zusammen, er hatte gerade ein Promotionsstipendium bekommen; nachdem man ihn zunächst mit einem Thema zu Herman Bang abgelehnt hatte, war er auf das umgeschwenkt, was sie haben wollten, also Literatur, die sich mit dem Holocaust befasste, wofür er natürlich prompt eine Zusage bekam. Das letzte Mal gesehen hatten wir uns auf einer Party der beiden, als er gerade an einer Tagung in Dänemark teilgenommen hatte, wo er einem Norweger begegnet war, erzählte er, der in Bergen studierte, wie heißt er, hatte ich gefragt, Jordal hatte er geantwortet, doch nicht etwa Preben?, hatte ich erwidert, doch, so hieß er, Preben Jordal. Ich erzählte, dass er ein Freund von mir war und wir gemeinsam Redakteure der Literaturzeitschrift Vagant gewesen waren und dass ich ihn sehr schätzte, er war gebildet und brillant, was Kettil nicht weiter kommentierte, und seine Art zu schweigen, diese leichte Verlegenheit, die ihn überkam, dieser plötzliche Wunsch, mir noch etwas einzuschenken, um so eine Distanz zu schaffen, die den Bruch im Gespräch weniger offensichtlich machte, ließ mich ahnen, dass sich Preben
über mich vielleicht nicht ganz so bewundernd geäußert hatte. Schlagartig fiel mir daraufhin ein, dass er mein letztes Buch so nachdrücklich verrissen hatte, und zwar gleich zwei Mal, zunächst in Vagant , danach in Morgenbladet , und dass dies in Dänemark ein Thema gewesen sein musste. Kettil war verlegen, weil mein Name nicht hoch im Kurs stand. Dies war zwar nur eine Theorie, aber ich war mir dennoch ziemlich sicher, dass Einiges für sie sprach. Seltsamer erschien mir, dass mir der Verriss zunächst nicht eingefallen war, obwohl ich den Grund dafür durchaus begriff: Preben gehörte zum Bergen-Teil meiner Erinnerungen, das war die Welt, in der er zu Hause war, während der Verriss zu meiner Stockholmer Zeit gehörte, der Gegenwart, und mit dem Buch verbunden war, nicht mit dem Leben, das es umgab. Oh, diese Kritik hatte geschmerzt, als hätte man mir ein Messer ins Herz gerammt, in den Rücken traf es vielleicht besser, da ich Preben ja kannte. Das legte ich jedoch nicht so sehr Preben zur Last, sondern eher der Tatsache, dass mein Buch nicht unfehlbar war, dass es gegen diesen Typ von Kritik nicht gefeit war, mit anderen Worten, nicht gut genug war, und gleichzeitig bekam ich Angst, dass genau dieses Urteil auf Dauer über das Buch gefällt werden würde, diese Worte in Erinnerung bleiben würden.
    Aber das dürfte ja wohl kaum der Grund dafür sein, dass ich nicht mit Gilda sprechen wollte? Oder vielleicht doch? Für mich legten sich Ereignisse wie dieses wie Schatten auf alle Beteiligten. Nein, es ging um ihre Firma, von der wollte ich nichts hören. Sie

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