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Lieben: Roman (German Edition)

Lieben: Roman (German Edition)

Titel: Lieben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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dass er eine SMS schreiben und darum bitten würde, dass man mich auf dem Festnetz anrief und dass er diese eine halbe Stunde später senden würde, wenn ich zu Hause sein müsste.
    Vielleicht dachte sie, dass es eine Art Taschendiebtrick war? Dass ich das Telefon absichtlich in ihre Tasche gelegt hatte, damit ich sie unter der Nummer anrufen konnte?
    In der Station T-Centralen strömten Menschen herein. Vor allem junge, zwei lautstarke Cliquen, einige Einzelgänger mit kleinen Ohrhörern, manche von ihnen mit Sporttaschen zwischen den Beinen.
    Zu Hause schliefen bestimmt alle.
    Der Gedanke tauchte plötzlich auf und prickelte.
    Das war mein Leben. Das hier war mein Leben.
    Ich musste mich zusammenreißen. Den Kopf heben.
    Auf dem Nebengleis fuhr ein Zug vorbei, und für einige Sekunden sah ich direkt in den aquariumsähnlichen Wagen, in dem die Leute in ihre Angelegenheiten vertieft waren, aber dann wurden sie auf ihrer Bahn angehoben, während wir in einen Tunnel geschleudert wurden, in dem nichts zu sehen war, nur der Widerschein des Wagens, mein leeres Gesicht. Als die U-Bahn abbremste, stand ich auf und ging zur Tür, überquerte den Bahnsteig und nahm die Rolltreppe zur Tunnelgatan hinauf. Die dicke blonde Frau zwischen dreißig und vierzig, die ich lange nicht gekannt hatte, bis Linda sie einmal grüßte und erläuterte, dass sie gemeinsam mit ihr Biskops-Arnö besucht hatte, saß am Fahrkartenschalter. Als sich unsere Augen begegneten, senkte sie den Blick. Auch gut, dachte ich, schob die Sperre mit dem Oberschenkel zur Seite und lief die letzten Treppenstufen hinauf.
    Wenn ich die lange Treppe zur Malmskillnadsgatan hinaufstieg, dachte ich fast jedes Mal daran, dass dies der Weg war, den damals wahrscheinlich der Mörder Olof Palmes genommen hatte. An den Tag, an dem die Tat bekannt wurde, erinnerte ich mich noch genau. Was ich getan, was ich gedacht hatte. Es war ein Samstag gewesen. Mutter war damals krank gewesen, ich hatte mit Jan Vidar den Bus in die Stadt genommen. Siebzehn waren wir. Hätte es den Mord an Palme nicht gegeben, wäre dieser Tag verschwunden wie alle anderen Tage auch. Alle Stunden, alle Minuten, alle Gespräche, alle Gedanken, alle Ereignisse. Hinaus in den Pfuhl des Vergessens mit dem Ganzen. Und das bisschen, das übrig blieb, musste dann alles verkörpern. War das nicht ironisch, wenn man bedachte, dass es haften blieb, gerade weil es sich vom Rest unterschied?
    Im KGB saßen ein paar langhaarige Burschen am Fenster
und tranken. Ansonsten schien der Laden leer zu sein. Aber vielleicht war an diesem Abend auch im Keller viel los.
    Stadteinwärts fahrend rauschten zwei schwarzglänzende Taxis vorbei. Die Schneekörner, die sie aufwirbelten, legten sich eine Sekunde später auf mein Gesicht, das auf gleicher Höhe wie die Straße war. Ich überquerte sie, hastete das letzte Stück zum Hauseingang hinunter, schloss auf. Glücklicherweise war weder im Flur noch auf der Treppe jemand zu sehen. In der Wohnung war es vollkommen still.
    Ich zog Mantel und Schuhe aus, ging leise durchs Wohnzimmer und machte die Tür zum Schlafzimmer auf. Linda öffnete die Augen, sah mich im Zwielicht an und streckte die Arme nach mir aus.
    »Hast du einen schönen Abend gehabt?«
    »Oh ja«, sagte ich und bückte mich, um sie zu küssen. »Und hier ist alles gut gegangen?«
    »Mhm. Wir haben dich vermisst. Kommst du jetzt ins Bett?«
    »Ich wollte nur kurz noch eine Kleinigkeit essen. Dann komme ich. Okay?«
    »Okay.«
    Im Gitterbettchen lag Vanja und schlief wie üblich mit hochgeschobenem Po, das Gesicht ins Kissen gepresst. Ich lächelte, als ich an ihr vorbeiging. Trank in der Küche ein Glas Wasser, starrte eine Weile in den Kühlschrank, ehe ich Margarine und eine Packung Schinken herausholte. Nahm Brot aus dem Schrank daneben. Als ich die Tür schließen wollte, warf ich einen Blick auf die Flaschen, die auf dem obersten Regalboden standen. Zufällig war mein Blick nicht, denn die Flaschen standen anders als sonst. Die halbvolle Aquavitflasche hatte den Platz mit dem Calvados getauscht. Der Grappa, der ganz hinten gestanden hatte, befand sich jetzt neben dem Genever ganz außen. Wäre es nur das gewesen, hätte ich nicht weiter darüber nachgedacht und angenommen, dass ich dort
am Samstag gedankenlos gewischt hatte, aber die Flaschen schienen mir auch ein wenig leerer zu sein. Derselbe Gedanke war mir flüchtig bereits eine Woche zuvor gekommen, aber da hatte ich ihn damit abgetan, dass wir wohl mehr

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