Lieben: Roman (German Edition)
mit der Kaffeetasse in der Hand vor das Bücherregal, er ging um mich herum und fotografierte.
Was war denn das jetzt für ein verdammter Mist.
»Könnten Sie die Hand ein wenig heben?«
»Sieht das nicht ein bisschen seltsam aus?«
»Okay. Wir lassen es.«
Im Flur hörte ich Vanja herankrabbeln. Sie setzte sich in der Türöffnung auf und sah uns an.
»Hallo, Vanja!«, sagte ich. »Sind hier komische Männer? Aber mich kennst du ja.«
Ich hob sie hoch. Im selben Moment kam Linda herein. Sie grüßte die beiden flüchtig, nahm Vanja und kehrte mit ihr in die Küche zurück.
All das, was ich nicht sichtbar werden lassen wollte, wurde gesehen. All das, was ich war und was zu mir gehörte, wurde steif und gekünstelt, sobald der Blick anderer darauf ruhte. Ich wollte das nicht. Ich wollte es verdammt noch mal nicht. Trotzdem stand ich hier wieder einmal und grinste wie ein Idiot.
»Bekomme ich noch ein paar?«, sagte der Fotograf.
Ich posierte erneut.
»Ein Fotograf hat mir mal gesagt, Fotos von mir zu machen sei so, als würde man einen Holzbalken fotografieren«, sagte ich.
»Muss ein schlechter Fotograf gewesen sein«, meinte der Mann.
»Aber Sie verstehen, was er meint?«
Er hielt inne, senkte die Kamera, lächelte, hob sie wieder und machte weiter.
»Ich dachte, wir könnten ins Pelikan gehen«, sagte ich zu dem Journalisten. »Das ist mein Stammlokal. Außerdem läuft da keine Musik. Das müsste doch passen.«
»Einverstanden.«
»Aber vorher machen wir draußen noch ein paar Bilder. Danach lasse ich Sie ziehen«, sagte der Fotograf.
Im selben Moment klingelte das Handy des Journalisten. Er warf einen Blick auf die Nummer.
»Ich muss leider drangehen«, sagte er. In dem nachfolgenden Gespräch, das nicht mehr als eine, höchstens zwei Minuten dauerte, ging es um Schneefälle, ein Auto, Zugfahrzeiten, eine Skihütte. Er beendete das Gespräch und begegnete meinem Blick.
»Ich fahre am Wochenende mit ein paar Freunden auf eine Skihütte. Das war der Fahrer, der uns vom Zug abholt und zur Hütte hinauffährt. Ein alter Mann, der uns da oben schon immer geholfen hat.«
»Das hört sich nett an«, sagte ich.
Eine Hüttentour mit Freunden war etwas, was ich nie erlebt hatte. Als ich ins Gymnasium ging und in den ersten beiden Jahren auf der Universität war das ein wunder Punkt gewesen. Ich hatte nun einmal kaum Freunde. Und die wenigen, die ich hatte, kannte ich nur unabhängig voneinander. Mittlerweile war ich zu alt, um mir wegen so etwas Gedanken zu machen, trotzdem versetzte es mir, sozusagen stellvertretend für mein altes Ich, einen Stich.
Er steckte das Handy in die Tasche und stellte die Tasse auf dem Tisch ab. Der Fotograf legte den Apparat in die Tasche.
»Wollen wir gehen?«, sagte ich.
Es war ein wenig unangenehm, als wir uns anzogen, der Flur war so klein, sie kamen mir so nahe, ohne dass irgendwer etwas sagte. Ich rief Linda ein Tschüss zu, und wir gingen die Treppen hinunter und auf die Straße. Auf der Eingangstreppe zündete ich mir eine Zigarette an. Es war beißend kalt. Der Fotograf zog mich zu der Treppe auf der anderen Straßenseite, wo ich einige Minuten posierte, die Zigarette hinter der Handfläche verborgen, bis der Fotograf meinte, er hätte sie gerne mit im Bild, falls mir das nichts ausmachte. Ich verstand, was er meinte, denn dadurch passierte etwas,
so dass ich auf der Treppe stehen blieb und rauchte, während er Foto um Foto schoss und ich mich seinen Anweisungen folgend bewegte, was von den zahlreichen Passanten registriert wurde, bis wir zum Tunneleingang gingen, wo er noch einmal fünf Minuten weitermachte, bis er zufrieden war. Dann verabschiedete er sich, und ich ging mit dem Journalisten schweigend über den Hügel und in die U-Bahn-Station auf der anderen Seite. Im selben Moment fuhr eine Bahn ein, und wir setzten uns einander gegenüber ans Fenster.
»Die U-Bahn zu nehmen erinnert mich bis heute an den Norway Cup, das große Fußballturnier in Oslo«, sagte ich. »Wenn ich diesen speziellen Duft in den U-Bahnhallen rieche, muss ich sofort daran denken. Ich stamme aus einer kleinen Stadt, damals war die U-Bahn das Exotischste, was es überhaupt gab. Und Pepsi-Cola. Die gab es bei uns auch nicht.«
»Haben Sie lange Fußball gespielt?«
»Bis ich achtzehn war. Aber ich war nie sonderlich gut. Das Niveau war eher bescheiden.«
»Ist das Niveau bei Ihnen immer bescheiden? Sie haben gesagt, dass Sie Ihre Bücher nicht gelesen haben. Und in Interviews, die
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