Lieben: Roman (German Edition)
mich zu, sie lachte, und ich warf sie ein paar Mal hoch, bevor ich sie in die Küche trug, wo Linda in einem Topf rührte.
»Kichererbseneintopf«, sagte sie. »Was Besseres ist mir nicht eingefallen.«
»Ist doch lecker«, sagte ich. »Wie ist es heute mit Vanja gelaufen?«
»Gut, denke ich. Jedenfalls waren sie den ganzen Vormittag in Astrid Lindgrens Spielwelt, Mama ist gerade gegangen. Bist du ihr noch begegnet?«
»Nein«, sagte ich und nahm Vanja mit aufs Bett, wo ich sie ein bisschen herumwirbelte, bis ich die Lust verlor und sie, vor lauter Lachen rot und verschwitzt, in den Stuhl am Küchentisch setzte und ins Wohnzimmer ging, um meine Mails
abzurufen. Als ich sie gelesen hatte, schaltete ich den Computer wieder aus und sah in die Wohnung hinein, die auf der anderen Seite der Straße eine Etage unter uns lag und in der ein anderer Computer leuchtete. Dort hatte ich einmal einen Mann vor dem Bildschirm onanieren sehen, er wähnte sich unbeobachtet, hatte nicht bedacht, dass er von unserem Fenster aus gesehen werden konnte. Er war allein im Zimmer, aber nicht in der Wohnung; hinter der Wand lag die Küche, in der eine Frau und ein Mann saßen. Es war seltsam gewesen zu sehen, wie nahe das Heimliche und Offene nebeneinander liegen konnten.
Jetzt war das Zimmer leer. Es gab nur das Taumeln der Lichtpunkte auf dem Bildschirm, das Licht einer Lampe in der Zimmerecke, das auf einen Stuhl fiel, und einen kleinen Tisch mit einem aufgeschlagenen Buch.
»Essen!«, rief Linda aus der Küche. Ich stand auf und ging zu ihnen. Es war schon Viertel nach fünf.
»Wann wollten sie kommen?«, sagte Linda, die wohl bemerkt hatte, dass ich auf die Uhr sah.
»Um sechs. Aber wir gehen sofort wieder. Du brauchst ihnen gar nicht zu begegnen. Na ja, wenn du willst, kannst du sie natürlich begrüßen, aber du musst nicht.«
»Ich denke, ich bleibe hier. Unsichtbar. Bist du nervös?«
»Nein, aber große Lust habe ich auch nicht. Du weiß ja, was dabei herauskommt.«
»Denk nicht daran. Rede einfach mit ihnen, sag, was du sagen willst, und stell keine hohen Ansprüche an dich. Nimm es leicht.«
»Ich habe mal mit Majgull Axelsson gesprochen, du weißt schon, die Autorin, die bei den Lesungen in Tvedestrand und Göteborg dabei war? Sie hat sich ein bisschen um mich gekümmert. Sie meinte, sie würde aus Prinzip nichts lesen, was über sie geschrieben wird, sich nie etwas im Fernsehen anschauen
oder im Radio anhören. Es als einzelne Ereignisse betrachten. Sich also nur in dem Moment damit beschäftigen, in dem es passiert. Dann würden daraus einfach Begegnungen mit Menschen, die völlig unkompliziert seien. Das erschien mir sinnvoll. Aber dann ist da natürlich noch die Eitelkeit, nicht? Werde ich jetzt als ein völliger Idiot dargestellt oder nur als Idiot? Und liegt es an der Darstellung oder an mir?«
»Ich würde mir wirklich wünschen, du könntest das alles einfach lassen«, erwiderte Linda. »Das ist so überflüssig! Es kostet dich so viel Kraft. Die ganze Zeit bist du mit solchen Dingen beschäftigt.«
»Ja, ich weiß. Und ich werde auch damit aufhören. Alles ablehnen.«
»Du bist so ein feiner Mensch. Ich würde mir nur wünschen, du könntest dich auch so fühlen.«
»Mein Grundgefühl ist das genaue Gegenteil. Es durchdringt wirklich alles. Und sag jetzt bitte nicht, dass ich eine Therapie machen soll.«
»Ich habe gar nichts gesagt!«
»Dir geht es doch genauso«, sagte ich. »Der einzige Unterschied besteht darin, dass du auch Phasen hast, in denen dein Selbstwertgefühl, vorsichtig formuliert, in Ordnung ist.«
»Es wäre schön, wenn Vanja das alles erspart bleiben könnte«, sagte Linda und sah sie an. Sie lächelte uns an. Vor ihr war der ganze Tisch mit Reis übersät, genau wie der Fußboden unter dem Stühlchen. Ihr Mund war von der Sauce rot, weiße Reiskörner klebten darin.
»So wird es aber nicht sein«, erklärte ich. »Das ist unmöglich. Entweder hat sie es von Geburt an in sich, oder sie nimmt es in sich auf. Es lässt sich unmöglich überspielen. Aber es ist nicht gesagt, dass es sie auch prägen wird. Es muss nicht passieren.«
»Ich hoffe, es wird nicht so kommen«, sagte Linda.
Ihre Augen glänzten feucht.
»Das hat jedenfalls gut geschmeckt«, sagte ich und stand auf. »Ich kümmere mich um den Abwasch. Den müsste ich noch schaffen, bevor sie kommen.«
Ich drehte mich zu Vanja um.
»Wie groß ist Vanja?«, sagte ich.
Stolz streckte sie die Arme über den Kopf.
»So
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