Lieben: Roman (German Edition)
will ich«, sagte sie. »Ich will, dass Heidi, du und Mama kommt.«
»Das hört sich nach einer kleinen, aber feinen Runde an«, sagte ich und hob sie vom rechten auf den linken Arm.
»Weißt du, was ich mir wünsche?«
»Nein?«
»Einen Goldfisch«, sagte sie. »Kann ich einen bekommen?«
»Na ja…«, sagte ich. »Wenn man einen Goldfisch hat, muss man sich auch gut um ihn kümmern. Ihn füttern und das Wasser wechseln und so. Und ich denke, dafür sollte man ein bisschen älter sein als vier Jahre.«
»Aber ich kann ihn füttern! Und Jiro hat auch einen. Er ist kleiner als ich.«
»Das stimmt«, sagte ich. »Mal sehen. Geburtstagsgeschenke sollen doch geheim sein, das ist ja das Tolle an ihnen.«
»Geheim? Wie ein Geheimnis?«
Ich nickte.
Oh, verdammt! Oh, verdammt! Sagte die verrückte Frau, von der wir jetzt nur noch ein paar Meter entfernt waren. Unsere Bewegungen wahrnehmend, wandte sie sich um und sah mich an. Oh, diese Augen waren böse.
»Was trägst du da für Schuhe?«, sagte sie hinter uns. »He,
Vater! Was sind das für Schuhe, die du da trägst. Jetzt lass mich gefälligst kurz mit dir reden!«
Und dann lauter:
»Verdammt! Oh, ver-DAMMT!«
»Was hat die Tante gesagt?«, sagte Vanja.
»Nichts«, antwortete ich und drückte sie fester an mich.
»Du bist das Tollste, was ich habe, Vanja, weißt du das? Das Aller, Allertollste.«
»Auch toller als Heidi?«, sagte sie.
Ich lächelte.
»Du und Heidi, ihr seid gleich toll. Wirklich haargenau gleich toll seid ihr.«
»Heidi ist toller«, sagte sie. Ihr Ton war vollkommen neutral, als hielte sie etwas Unanfechtbares fest.
»Quatsch«, sagte ich. »Du kleine Quatschmacherin.«
Sie lächelte. Ich warf an ihr vorbei einen Blick in den großen, fast menschenleeren Supermarkt, in dem die Waren zu beiden Seiten der kleinen Straßen aus Regalen und Theken glänzten, die man in ihm errichtet hatte. Zwei Kassiererinnen saßen an ihren Kassen und starrten, auf Kunden wartend, vor sich hin. An der Ampelkreuzung auf der anderen Straßenseite lief ein Motor im Leerlauf, und als ich den Kopf drehte, sah ich, dass er einem dieser riesigen, jeepartigen Wagen gehörte, die in den letzten Jahren immer häufiger im Straßenbild auftauchten. Die Zärtlichkeit, die ich für Vanja empfand, war so groß, dass es mich fast zerriss. Um ihr etwas entgegenzusetzen, verfiel ich in einen Laufschritt. Am Ankara vorbei, dem türkischen Restaurant, das Bauchtanz und Karaoke anbot und vor dessen Eingang abends oft wohlhabende, nach Rasierwasser duftende Männer aus dem Osten standen und Zigarren rauchten, das nun jedoch menschenleer war, am Burger King vorbei, wo ein unglaublich dickes Mädchen alleine auf der Bank davor saß und mit einer Mütze und Fingerhandschuhen
bekleidet einen Hamburger mampfte, am Staatlichen Alkoholladen und der Handelsbank vorbei, wo ich bei Rot stehen blieb, obwohl auf keiner der Spuren Autos fuhren. Die ganze Zeit hielt ich Vanja fest an mich gedrückt.
»Siehst du den Mond?«, sagte ich und zeigte zum Himmel hoch.
»Mm«, sagte sie. Und dann, nach einer kleinen Pause: »Sind da Menschen gewesen?«
Sie wusste genau, dass dort einmal Menschen gewesen waren, aber sie wusste auch, dass ich ihr gerne von solchen Dingen erzählte.
»Oh ja«, sagte ich. »Als ich gerade erst auf die Welt gekommen war, sind drei Männer hingesegelt. Es ist weit, die Reise hat mehrere Tage gedauert. Und dann sind sie da oben spazieren gegangen.«
»Die sind nicht gesegelt, die sind in einem Raumschiff gefahren«, sagte sie.
»Da hast du Recht«, sagte ich. »Sie haben eine Rakete genommen.«
Die Ampel schaltete auf Grün um, und wir gingen auf die andere Straßenseite, wo der Platz begann und unsere Wohnung lag. Ein hagerer Mann in einer Lederjacke und mit Haaren, die weit seinen Rücken hinabreichten, stand vor einem Geldautomaten. Er nahm mit der einen Hand seine Karte, als sie ausgeworfen wurde, während er sich mit der anderen die Haare aus dem Gesicht strich. Die Geste war feminin und komisch, da alles andere an ihm, die ganze Heavy-Metal-Montur, dunkel, hart und maskulin sein wollte.
Der kleine Haufen Quittungen auf dem Boden zu seinen Füßen wurde in einem Windstoß hochgewirbelt.
Ich steckte die Hand in die Tasche und zog den Schlüsselbund heraus.
»Was ist das?«, sagte Vanja und zeigte auf die beiden Slush-Maschinen,
die vor dem kleinen Thai-Imbiss neben unserer Haustür standen.
»Slush«, sagte ich. »Aber das weißt du doch.«
»Ich will was
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