Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lieben: Roman (German Edition)

Lieben: Roman (German Edition)

Titel: Lieben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
Vom Netzwerk:
wo wir uns niederließen, sie mit einem Kuchenteller auf dem Schoß. Erst da fiel mir auf, dass sie ihre Schuhe nicht mehr anhatte.
    »Wo sind denn deine goldenen Schuhe geblieben?«, sagte ich.
    »Die sind dumm«, erwiderte sie.
    »Nein, die sind doch superschön«, widersprach ich. »Das sind richtige Prinzessinnenschuhe!«
    »Die sind dumm«, sagte sie erneut.
    »Aber wo sind sie hin?«
    Sie antwortete nicht.
    »Vanja«, sagte ich.
    Sie schaute zu mir hoch. Ihre Lippen waren von der Creme ganz weiß.
    »Da hinten«, sagte sie und nickte in Richtung des anderen Zimmers. Ich stand auf, ging hin und schaute mich um, sah aber keine Schuhe. Ich kehrte zurück.
    »Wo hast du sie hingelegt? Ich kann sie nicht finden.«
    »An die Blume«, sagte sie.
    Die Blume? Ich ging wieder hin und sah zwischen den Blumentöpfen auf der Fensterbank nach, wo sie jedoch nicht lagen.
    Konnte sie die Yucca-Palme gemeint haben?
    Tatsächlich. Sie lagen im Topf. Ich nahm sie in die Hand, bürstete die Erde über dem Topf ab, trug sie anschließend ins Badezimmer und wischte den Rest herunter, ehe ich sie unter den Stuhl stellte, auf dem ihre Jacke lag.
    Die Unterbrechung durch den Kuchen, mit dem alle Kinder beschäftigt waren, konnte ihr vielleicht die Chance auf einen Neuanfang bieten, überlegte ich, vielleicht würde es ihr hinterher leichter fallen, sich den anderen anzuschließen.
    »Ich möchte auch ein Stück Kuchen essen«, sagte ich zu ihr. »Ich bin in der Küche. Komm einfach, wenn etwas ist, okay?«
    »Okay, Papa«, sagte sie.
    Auf der Uhr über der Küchentür war es erst halb sieben. Es war noch niemand gegangen, also mussten wir wohl noch ein wenig bleiben. Ich schnitt mir ein dünnes Stück von dem Kuchen ab, legte es auf einen Teller und setzte mich ans andere Ende des Tisches, da der Platz, auf dem ich bisher gesessen hatte, besetzt war.
    »Es gibt auch Kaffee, möchtest du einen?«, sagte Erik und sah mich mit einer Art hängendem Lächeln an, als läge mehr in der Frage und in dem, was er sagte, als das Offensichtliche. Wenn ich recht sah, war das nur eine Technik, die er gelernt hatte, um bedeutsam zu wirken, jenen Tricks nicht unähnlich, an die sich durchschnittliche Autoren halten, um in ihren Erzählungen eine abgrundtiefe Bedeutung zu suggerieren.
    Oder hatte er wirklich etwas gesehen?
    »Ja, gern«, sagte ich, stand auf, nahm mir eine Tasse vom Stapel und füllte sie mit Kaffee aus der grauen Stelton-Kanne, die daneben stand. Als ich mich wieder setzte, verließ er gerade den Raum. Frida erzählte von einer Kaffeemaschine, die sie gekauft hatte, sie sei teuer gewesen, und sie hätte sie fast nicht gekauft, bereue es aber nicht, sie sei ihr Geld wert gewesen, der Kaffee schmecke fantastisch, und es sei ja so wichtig,
sich gerade solche Dinge zu gönnen, vielleicht wichtiger, als man im Allgemeinen denke. Linus erzählte von einem Smith & Jones-Sketch, den er einmal gesehen hatte, zwei Personen an einem Tisch mit einer Stempelkanne Kaffee vor sich, die eine presst herunter, aber es wird nicht nur das Kaffeepulver heruntergedrückt, sondern alles in der Kanne, die am Ende vollkommen leer ist. Keiner lachte, und Linus breitete die Hände aus.
    »Eine simple Kaffeegeschichte«, meinte er. »Kennt jemand eine bessere?«
    Im Türrahmen stand Vanja. Ihr Blick glitt über den Tisch, und als er mich gefunden hatte, kam sie zu mir.
    »Willst du nach Hause?«, sagte ich.
    Sie nickte.
    »Tja, weißt du was«, sagte ich. »Ich auch. Ich esse nur noch meinen Kuchen. Und trinke meinen Kaffee. Möchtest du so lange auf meinem Schoß sitzen?«
    Sie nickte erneut. Ich hob sie hoch.
    »Schön, dass du gekommen bist, Vanja«, sagte Frida und lächelte sie vom anderen Tischende aus an. »Gleich spielen wir noch Angeln. Da machst du doch bestimmt mit, oder?«
    Vanja nickte, und Frida wandte sich wieder Linus zu, es ging um irgendeine Fernsehserie von HBO, die sie gesehen, er dagegen verpasst hatte, und die sie in den höchsten Tönen pries.
    »Möchtest du das?«, sagte ich. »Sollen wir noch auf das Angeln warten, bevor wir gehen?«
    Vanja schüttelte den Kopf.
    Beim Angelspiel bekamen die Kinder eine kleine Angelrute mit einer Schnur, die sie auf die andere Seite einer Decke warfen, wo ein Erwachsener saß und eine Tüte mit etwas Begehrenswertem an ihr befestigte, Süßigkeiten oder kleine Spielzeuge oder Ähnliches. Hier würde man sie wahrscheinlich mit
Erbsen oder Artischocken füllen, überlegte ich und führte die Gabel an Vanja

Weitere Kostenlose Bücher