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Lieben: Roman (German Edition)

Lieben: Roman (German Edition)

Titel: Lieben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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Wir sind alle Demokraten, wir sind alle Liberale, und die Unterschiede zwischen Staaten, Kulturen und Menschen werden überall abgebaut. Und diese Bewegung, ist sie nicht im Grunde nihilistisch? »Die nihilistische Welt ist ihrem Wesen nach eine reduzierte und weiter sich reduzierende, wie das notwendig der Bewegung zum Nullpunkt hin entspricht«, schrieb Jünger. Ein Beispiel für eine solche Reduzierung findet man zum Beispiel, wenn Gott als »das Gute« aufgefasst wird, oder in der Neigung, einen gemeinsamen Nenner für all die komplizierten Tendenzen in der Welt zu finden, oder in der Tendenz zur Spezialisierung, die eine andere Form der Reduzierung ist, oder in dem Willen, der alles in Zahlen umwandelt, Schönheit ebenso wie Wald sowie Kunst ebenso wie Körper. Denn was ist Geld anderes als eine Größe, in der die unterschiedlichsten Dinge gleichgestellt werden, so dass sie umgesetzt werden können?
Oder wie Jünger schrieb: »Nach und nach lassen sich alle Gebiete auf diesen Nenner bringen, sogar der Kausalität so sehr entzogene Residenzen wie der Traum.« In unserem Jahrhundert sind selbst unsere Träume gleich, selbst die Träume etwas, das wir umsetzen. Gleichwertig ist nur eine andere Art, gleichgültig zu sagen.
    Das ist unsere Nacht.
     
    Ich spürte, dass die Menschendichte um mich herum nachließ und die Straßen draußen dunkel waren, aber erst als ich das Buch zur Seite legte, um mir noch eine Tasse Kaffee zu holen, wurde mir bewusst, dass dies ein Zeichen für das Verstreichen von Zeit war.
    Es war zehn nach sechs.
    Verdammt.
    Ich hätte um fünf zu Hause sein sollen. Außerdem war Freitag, da machten wir aus dem Essen und dem Abend immer etwas Besonderes. Jedenfalls war es so gedacht.
    Mist. Was für ein verdammter Mist.
    Ich zog die Jacke an, steckte das Buch in die Tasche und eilte hinaus.
    »Tschüss!«, rief mir die Bedienung hinterher.
    »Tschüss«, sagte ich, ohne mich umzudrehen. Bevor ich nach Hause kam, musste ich auch noch einkaufen. Als Erstes ging ich in das Staatliche Alkoholgeschäft gegenüber, griff blindlings eine Flasche Rotwein aus dem Regal mit den teuersten Tropfen, nachdem ich zuvor gesehen hatte, dass sie mit einem Rinderkopf markiert war, folgte anschließend der Passage in das Einkaufszentrum, das so groß und luxuriös war, dass ich mich immer schäbig und wie ein Penner fühlte, und zur Treppe nach unten in den Supermarkt im Untergeschoss mit dem exklusivsten Lebensmittelsortiment Stockholms, in dem ein ansehnlicher Teil unseres Geldes landete, nicht etwa,
weil wir Feinschmecker waren, sondern weil wir einfach zu faul waren, zu dem preisgünstigen Supermarkt im U-Bahn-Aufgang an der Birger Jarlsgatan zu gehen, und weil ich kein Verhältnis zum Wert von Geld hatte, was bedeutete, dass ich ebenso wenig zögerte, es aus dem Fenster zu werfen, wenn ich welches besaß, wie ich es auch nicht vermisste, wenn ich keins hatte. Das war natürlich dumm, diese Einstellung machte das Leben komplizierter, als es eigentlich sein musste. Wir hätten problemlos in bescheidenen, aber ausgeglichenen und funktionierenden Verhältnissen leben können, statt dass ich mit dem Geld nur so um mich warf, sobald ich welches bekam, um danach die nächsten drei Jahre am Existenzminimum herumkriechen zu müssen. Aber wer konnte schon so denken? Ich jedenfalls nicht. Also ging es zur Fleischtheke, an der man das fantastisch gereifte und gut abgehangene, aber schwindelerregend teure Entrecôte-Fleisch von einem Hof auf Gotland kaufen konnte, bei dem sogar mir auffiel, dass es besonders gut schmeckte, und wo es zudem Plastikbecher mit hausgemachten Saucen gab, die ich mitnahm, ehe ich eine Tüte mit Kartoffeln, ein paar Tomaten, Broccoli und Champignons zusammenraffte. Ich sah, dass sie frische Himbeeren hatten und nahm eine Schale mit, eilte zur Tiefkühlabteilung und fand das Vanilleeis der kleinen Marke, das sie seit kurzem führten, um schließlich eins von diesen keksartigen französischen Dingern zu holen, die so gut dazu passten, und zwar am anderen Ende des Geschäfts, wo es zum Glück auch eine Kasse gab.
    Oje, oje, oje, jetzt war es schon Viertel nach.
    Es ging nicht nur darum, dass ich anderthalb Stunden länger fort geblieben war als abgesprochen und sie zu Hause wartete, sondern auch darum, dass der Abend so kurz wurde, da wir früh zu Bett gingen. Mir war das relativ egal, ich aß gerne ein paar Scheiben Brot vor dem Fernseher und konnte um halb acht ins Bett gehen, wenn es sein musste,

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