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Lieben: Roman (German Edition)

Lieben: Roman (German Edition)

Titel: Lieben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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legte die Badehose, ein Handtuch und Shampoo in eine Tüte, zog meine Jacke an und ging zu dem Schwimmbad am Medborgarplatsen, das um diese Uhrzeit fast leer war, zog mich um, betrat die Halle, stieg auf den Startblock, und sprang hinein. Tausend Meter schwamm ich unter dem bleichen Märzlicht, das durch die große Fensterfront am Kopfende hereinfiel, auf und ab, auf und ab, unter Wasser, über Wasser, ohne an etwas anderes zu denken als daran: die Anzahl Meter, die Anzahl Minuten, während ich die ganze Zeit versuchte, möglichst perfekte Schwimmzüge zu machen.
    Hinterher setzte ich mich in die Sauna und dachte an die Zeit zurück, in der ich ausgehend von kleinen Ideen versucht hatte, Erzählungen zu schreiben, ohne etwas über das Was, Warum oder Wie zu wissen.
    Was war die übergeordnete Idee gewesen?
    Ein Mann, der irgendwo in einem Zimmer einer Wohnung in Bergen an einen Stuhl gefesselt wurde, dem schließlich in den Kopf geschossen wurde, tot, aber im Text weiterlebend, ein Ich, das weit bis zu seiner Beerdigung und ins Grab hinab währte.
    Fakten, damit hatte ich mich beschäftigt.
    Und zwar lange.
    Ich wischte mir mit dem Handtuch den Schweiß aus der Stirn, blickte auf die Fettwulste herab, die über den Bauch hingen. Blass und fett und dumm.
    Aber in Stockholm!
    Ich stand auf, ging zu den Duschen und stellte mich unter eine.
    Ich kannte hier keinen Menschen. Ich war vollkommen frei.
    Wenn ich Tonje verließ, falls es dazu kommen sollte, würde ich hier einen oder zwei Monate wohnen können, vielleicht den ganzen Sommer über, um anschließend abzuhauen nach … eigentlich überallhin. Buenos Aires. Tokio. New York.
Nach Südafrika reisen und den Zug zum Viktoriasee nehmen. Oder warum nicht nach Moskau. Das wäre doch fantastisch.
    Ich schloss die Augen und massierte Shampoo in die Haare. Spülte den Schaum heraus, ging in die Umkleide, öffnete den Schrank und zog mich an.
    Wenn ich wollte, war ich frei.
    Ich brauchte nichts mehr zu schreiben.
    Ich legte das Handtuch und die nasse Badehose in die Tüte, ging in den kühlen, ungemütlichen Tag hinaus und zur Markthalle, wo ich an einer Theke stehend eine Ciabatta aß. Ging nach Hause und versuchte, ein wenig zu schreiben, wobei ich hoffte, dass Geir etwas früher als angekündigt kommen würde. Ich legte mich aufs Bett und sah fern, eine amerikanische Soap, schlief ein.
    Als ich aufwachte, war es draußen dunkel. Jemand klopfte an die Tür.
    Ich machte auf, es war Geir, wir gaben uns die Hand.
    »Und?«, sagte er. »Wie ist es gelaufen?«
    »Gut«, sagte ich. »Wo gehen wir hin?«
    Geir zog die Schultern hoch, ging herum und sah sich den vielen Nippes in der Wohnung an, blieb vor dem Bücherregal stehen, wandte sich um.
    »Ist es nicht seltsam, dass man überall die gleichen Bücher findet? Ich meine, sie ist ungefähr fünfundzwanzig, stimmt’s? Arbeitet bei Ordfront, wohnt auf Södermalm? Na, dann besitzt sie diese Bücher und keine anderen.«
    »Stimmt, das ist wirklich seltsam«, sagte ich. »Wo wollen wir hin? Guldapan? Kvarnen? Pelikan?«
    »Jedenfalls nicht ins Kvarnen. Vielleicht ins Guldapan? Hast du Hunger?«
    Ich nickte.
    »Lass uns dahin gehen. Das Essen ist gar nicht mal schlecht. Gutes Hähnchen.«
    Draußen hatte man das Gefühl, jeden Moment könnten die ersten Schneeflocken fallen. Es war kalt und rau und feucht.
    »Jetzt komm schon«, sagte Geir, als wir die Straße hinabgingen. »Auf welche Art war es gut?«
    »Wir haben uns getroffen, ein wenig unterhalten, sind wieder gegangen. Das war’s in etwa.«
    »War sie so, wie du sie in Erinnerung hattest?«
    »Na ja, ein bisschen, vielleicht.«
    »Und wie ist es gelaufen?«
    »Wie oft willst du mich das noch fragen?«
    »Ich meine wirklich. Was hast du gefühlt, als du sie gesehen hast?«
    »Weniger, als ich gedacht hätte.«
    »Warum?«
    »Warum? Verdammt, was ist das denn für eine Frage? Woher soll ich das wissen? Ich fühle, was ich fühle, man kann doch nicht jede kleinste Schwingung seiner Seele identifizieren, falls du das glauben solltest.«
    »Ich dachte, davon würdest du leben?«
    »Nein. Ich lebe davon, über jede kleinste Peinlichkeit zu schreiben, die mir jemals zugestoßen ist. Das ist etwas anderes.«
    »Also gab es Schwingungen?«, sagte er.
    »Da sind wir«, antwortete ich. »Meintest du nicht, wir sollten lieber etwas essen?«
    Ich öffnete die Tür und ging hinein. Im ersten Raum lag die Bar, im nächsten das Restaurant.
    »Warum nicht«, meinte Geir und durchquerte den

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