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Lieben: Roman (German Edition)

Lieben: Roman (German Edition)

Titel: Lieben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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du gekommen bist, hatte Ingmar Lemhagen über dein Buch gesprochen. Und als wir beide dort waren, wollte er im Grunde immer nur darüber sprechen.«
    Es entstand eine neuerliche Pause.
    Sie stand auf und ging zur Toilette.
    Ich dachte, dass dies keinen Sinn hatte. Was erzählte ich hier eigentlich für ein idiotisches Zeug? Aber es gab eben auch nichts anderes zu sagen, oder?
    Verdammt, worüber unterhielten sich die Leute eigentlich?
    Etwas entfernt rauschte und zischte die Kaffeemaschine. Eine lange Schlange Menschen mit ungeduldiger Körpersprache stand entlang der Theke. Draußen war es grau. Das Gras im unterhalb gelegenen Park war gelb und nass.
    Sie kam zurück, setzte sich.
    »Und wie verbringst du deine Tage? Kennst du dich schon ein bisschen aus in der Stadt?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Nur ein bisschen. Aber ich schreibe. Außerdem gehe ich jeden Tag in dem Bad am Medborgarplatsen schwimmen.«
    »Wirklich? Da gehe ich auch schwimmen. Nicht täglich vielleicht, aber fast.«
    Wir lächelten uns an.
    Ich zog mein Handy heraus und sah auf die Uhr.
    »Ich muss gleich gehen«, sagte ich.
    Sie nickte.
    »Sollen wir uns wieder treffen?«
    »Ja, von mir aus gern. Wann?«
    Sie zuckte mit den Schultern.
    »Wie wär’s, wenn du mich einfach anrufst?«
    »Okay.«
    Ich legte den Blätterstapel des Manuskripts und das Handy in meine Tasche und stand auf.
    »Wir telefonieren. Es war schön, dich zu sehen!«
    »Tschüss«, sagte sie.
    Mit der Tasche in der Hand eilte ich die Straße hinab, am Park entlang und in die breite Straße, in der die Wohnung lag. Das Ganze war vollkommen starr gewesen, wir hatten nichts bewegt; als wir uns trennten, war alles noch genauso wie vor unserem Treffen.
    Aber was hatte ich eigentlich erwartet?
    Wir wollten ja auch nirgendwohin.
    Ich hatte sie nicht nach Wohnungen gefragt. Nicht nach Kontakten. Nichts dergleichen.
    Außerdem war ich fett.
    Als ich in die Wohnung kam, legte ich mich auf dem Rücken in das Wasserbett und schaute an die Decke. Sie war ganz anders gewesen. Es kam mir beinahe vor, als wäre sie ein anderer Mensch gewesen.
    In Biskops-Arnö war das vielleicht Auffälligste an ihrer Ausstrahlung der Wille gewesen, grundsätzlich so weit zu gehen, wie erforderlich war, was ich sofort wahrgenommen und ungeheuer anziehend gefunden hatte. Er war verschwunden. Das Harte, fast Rücksichtslose, das gleichzeitig so zerbrechlich war wie Glas, war ebenfalls fort. Sie wirkte immer noch zerbrechlich, jedoch auf andere Art, diesmal hatte ich nicht wie damals gedacht, dass sie zu Bruch gehen und in Stücke zersplittern könnte. Mittlerweile war ihre Zerbrechlichkeit mit etwas Weicherem verbunden, und das Abweisende an ihr, das einem sagte, mir wirst du niemals nahekommen, hatte seinen
Charakter verändert. Scheu war sie, aber irgendwie auch offen. Hatte sie nicht etwas Offenes gehabt?
     
    In jenem Herbst nach unserem Aufenthalt in Biskops-Arnö waren Arve und sie ein Paar geworden, und über ihn hatte ich erfahren, was im Winter und Frühjahr mit ihr geschah. Sie war manisch-depressiv geworden, mehr wusste ich nicht. In einer ihrer manischen Phasen hatte sie mich zwei Mal angerufen, um mich zu fragen, ob ich Arve anrufen könne, beide Male kam ich ihrem Wunsch nach und bat seine Freunde, ihm auszurichten, dass er mich zurückrufen solle, und als er es tat, hörte ich, wie enttäuscht er darüber war, dass in Wahrheit Linda versucht hatte, ihn zu erreichen. Einmal rief sie nur an, um mit mir zu reden, es war sechs Uhr morgens, und sie erzählte, dass sie jetzt Literarisches Schreiben in Göteborg studieren würde, in einer Stunde würde sie dorthin fahren. Tonje lag im Schlafzimmer wach und wollte wissen, wer schon so wahnsinnig früh anrief, ich sagte, Linda, du weißt schon, diese Schwedin, die ich kennengelernt habe und die mit Arve zusammen ist. Warum ruft sie uns an?, sagte Tonje, ich weiß es nicht genau, antwortete ich, ich glaube, sie ist manisch.
    Über nichts von all dem konnten wir sprechen.
    Und wenn wir darüber nicht sprechen konnten, dann konnten wir über gar nichts sprechen. Welchen Sinn hatte es, zusammenzusitzen und hallo, hallo, ja, ja, wie geht es dir zu sagen?
    Ich schloss die Augen und versuchte, sie vor mir zu sehen.
    Hatte ich etwas für sie empfunden?
    Nein.
    Oder doch, ich mochte sie und empfand nach allem, was passiert war, vielleicht auch Zärtlichkeit für sie, aber das war alles. Das andere hatte ich endgültig abgehakt.
    Das war gut so.
    Ich stand auf,

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