Lieber Dylan
würde ich eine Pelzmütze und einen Mantel tragen und in der Wüste Saharaein richtig scharfes Currygericht essen! Es stellte sich heraus, dass der Bus an der Haltestelle der war, den wir nehmen mussten, um zu Jamie nach Hause zu kommen. Ich konnte nicht fassen, dass er mit mir zu sich nach Hause gehen wollte! Ich dachte, wir würden nur in den Park oder so gehen. Jamie wohnt in einer Gegend namens Ickenham, das ist so ein Viertel wie ein kleines Dorf, kurz hinter der Grenze von Ruislip. (Ein richtiges Dorf ist es natürlich nicht, denn es liegt ja in London und hat auch eine U-Bahn-Station und eine belebte Hauptstraße, aber es hat auch einen kleinen Rasenplatz bei den Geschäften und einen echt alten Pub, der Coach and Horses heißt – vor der Tür gibt es da immer noch eine Stange, an der man seine Pferde anbinden kann!) Jamies Haus steht in einer Straße hinter dem Pub und ist einfach umwerfend. Nicht weil es eine große, vornehme Villa oder so was wäre – in Wahrheit ist es nämlich ein Haus vom sozialen Wohnungsbau, oder zumindest war es das. Ich glaube, jetzt gehört es seinen Eltern. Von außen sieht es ziemlich normal aus, ein Reihenendhaus mit einem kleinen Vorgarten, der gepflastert ist und voller Motorräder steht. Sein Vater ist Motorrad-Mechaniker. Normalerweise macht es mich traurig, wenn ich ein Motorrad sehe, weil es mich an meinen Dad und die Art, wie er gestorben ist, erinnert, aber heute nicht. Heute fühlte ich mich irgendwie zu Hause, als ich die Motorräder, die Motorenteile und das Öl sah. Ich musste dabei an unsere alte Wohnung in Kilburn denken und an den Hinterhof, wo mein Vater sein Motorrad aufbewahrte. Aber das Innere von Jamies Zuhause ist das Beste. Oh Nan, ich wünschte, ich hätte ein paar Fotos, die ich dir schicken könnte, du würdest es lieben. Sobald man eintritt, fühlt man sich in die alten Zeiten zurückversetzt, du weißt doch, als es noch Flower-Power und dieses ganze Hippie-Zeug gab. Alles ist in richtig leuchtenden Farben gestrichen – der Flur ist türkis mit einem Muster aus großen blauen Schlangenlinien. Ich weiß, das hört sich vermutlich scheußlich an, aber es sieht toll aus, glaub mir. Die Küche und das Wohnzimmer gehen ineinander über, wodurch das Erdgeschoss richtig groß wirkt. Die Wände der Küche sind mit winzigen bunten Kacheln bedeckt, sodass man sich vorkommt, als würde man im Inneren eines gigantischen Mosaiks stehen, und dann gibt es ein Regal mit Millionen von verschiedenen Kräutern und Gewürzen, aus dem es genauso riecht wie im Reformhaus. Das Wohnzimmer ist dunkelgrün gestrichen, und an den Wänden hängen Massen von diesen echt frostfreien Bildern. Es ist diese Art von Bildern, bei denen man auf den ersten Blick nichts als Muster sieht, aber je länger man hinguckt, desto mehr erwachen sie zum Leben. Ein bisschen wie diese Tests, die sie mit Verrückten machen, bei denen sie ihnen Bilder geben und sie fragen, was sie sehen. Und wenn sie sagen, eine Vase mit Blumen, dann sind sie gesund, aber wenn sie sagen, sie sehen einen zertrümmerten Kopf, dann sind sie Psychopathen. Ich frage mich, was der Ton-Zerstörer wohl sehen würde – haha!!
Von einem Bild war ich wirklich begeistert. Es war so groß wie ein riesiger Flachbildschirm und erinnerte mich an das Meer – es war ganz in Grün- und Blautönen gehalten und bedeckt von kleinen metallischen Tupfen, die genauso aussahen wie Fische, die aus den Wellen auf- und wieder untertauchten. Ich fragte Jamie, was das sein sollte, und als er mir keine Antwort gab, drehte ich mich um und stellte fest, dass er zu Boden sah, wobei sein langer Pony das Gesicht total bedeckte. »Das Bild«, sagte ich, weil ich dachte, er hätte vielleicht nicht verstanden, was ich meinte. Dann blickte er auf, und nun rate mal, was los war? Seine Wangen waren knallrot! »Was glaubst du denn, was es sein soll?«, murmelte er und wandte den Blick Richtung Fenster. Ich widmete mich wieder dem Bild. »Ich glaube, es ist das Meer«, antwortete ich. Und dann dachte ich an deine Mail über das Meer. »Und ich glaube, es zeigt die Kraft und das Geheimnis des Meeres und wie wir glauben es zu kennen, obwohl wir in Wahrheit nicht mal eine Ahnung von all den Kreaturen haben, die da unten leben, und auch nicht wissen, wozu das Meer wirklich fähig ist.« Ich musste weiter das Bild anstarren, denn nun glühten auch meine eigenen Wangen. Warum kann ich nie auf eine seiner Fragen eine direkte Antwort geben? Warum muss
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