adoptierten, habe ich all meine Schauspiel-Souvenirs weggepackt. Ich hoffte wohl, es würde ein Fall von Aus-den-Augen-aus-dem-Sinn sein. Nachdem ich alle Hoffnung, jemals Kinder zu haben, aufgegeben hatte, wurde mir plötzlich diese unglaubliche Chance auf Mutterschaft geschenkt, und die wollte ich nicht vermasseln. Ich wollte nicht, dass mir irgendetwas dazwischenkam. Also habe ich, so wie man sich herzlos von einem Liebhaber trennt, all meine alten Rollenbücher und Programme und Requisiten und Kostüme in einem großen Koffer auf den Dachboden gepackt. Und seitdem sind sie dort und stauben ein. Aber nachdem wir gestern die Straße der Erinnerungen entlanggegangen sind, konnte ich nicht widerstehen und habe den Koffer vom Boden heruntergeholt. Und dann habe ich die halbe Nacht damit verbracht, darin herumzuwühlen. Es war unglaublich, was da für Emotionen freigesetzt wurden. Ein bisschen wie die Büchse der Pandora, aber ohne das Schlangenhaar und die tödlichen Krankheiten, möchte ich rasch hinzufügen. Ich habe sogar verschiedene Kostüme anprobiert. Und sie passen mir noch!!! Dann habe ich in den Alben mit meinen alten Kritiken geblättert, und es war, als würde ich die, die ich einmal war, und das, wozu ich fähig war (und vielleicht immer noch bin) neu kennenlernen. Es war ein so weit entferntes Kapitel meines Lebens, ich hatte völlig vergessen, was für ein außergewöhnliches Gefühl, etwas erreicht zu haben, mir das Schauspiel gegeben hat. Wenn man Ehefrau und Mutter wird, verliert man nur allzu leicht aus den Augen, was für ein Mensch man im Herzen ist. Damals hat es mirnichts ausgemacht – ich war so glücklich, für Bruce eine Ehefrau und für Dylan eine Mutter zu sein. Aber wer war ich für mich selbst? Für dich macht das vermutlich überhaupt keinen Sinn, aber was ich zu sagen versuche, was ich gerade erst erkannt habe, ist: Mein Leben ist noch nicht vorbei. Ich bin noch immer dieselbe Frau, die der Theaterkritiker der Times als eine »strahlende Präsenz« beschrieben hat. Ich bin die Frau, die »von Lady Macbeth Besitz ergriffen« und »die Bühne beherrscht« hat. Was habe ich mir dabei gedacht, Lyrik-Kurse zu belegen? Es war, als hätte ich überall am falschen Ort nach mir selbst gesucht. Das wahre Ich war die ganze Zeit direkt vor meiner Nase (oder auf meinem Dachboden)!
Lass mich dir einen Rat geben, Georgie, und ich möchte, dass du mir schwörst, dass du dich immer daran erinnern wirst. Verliere niemals aus den Augen, wer du wirklich bist. Nicht einem tyrannischen Stiefvater gegenüber und auch nicht bei liebevollen Ehemännern und Söhnen. Halte an dem wahren Du immer fest. Bewahre dir immer diesen geheimen Garten in deinem Innern, in den du dich flüchten kannst.
Ich hoffe, es war alles in Ordnung, als du gestern Abend nach Hause kamst und deiner Mutter die Broschüren gegeben hast, ich hoffe, sie haben geholfen. Es ist so leicht für eine Frau, in eine Ehe wie in eine Falle zu geraten, aber sie braucht wirklich nicht bei diesem furchtbaren Mann zu bleiben, wenn sie nicht will. Refuge ist eine fantastische Organisation, sie haben jede Menge sichere Häuser, in die Frauen mit ihren Kindern gehen können. Versprich mir, Georgie, dass du mich anrufst oder mir mailst, wenn es etwas Neues gibt. Ich drücke wieder alles für dich (natürlich außer meinen Augen – ich möchte ja nicht wie die Bibliothekarin aussehen).
Jetzt werde ich mit Woodstock am Strand spazieren gehen – plötzlich gibt es so vieles, über das ich nachdenken muss.
Alles Liebe,
Nan xx
Teil Fünf
Ein Wunder pflanzen
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Datum: Sonntag, 13. August, 11:18
Ich hasse meine Mutter! Ich hasse sie! Sie ist eine egoistische, undankbare, ignorante Kuh, und ich wünschte, sie wäre tot. Okay, das Letzte meine ich nicht so, aber sie könnte genauso gut tot sein, so wie sie das Leben behandelt, als wäre es etwas, das man einfach verschwenden könnte wie die Bleistifte, die man in der Grundschule bekommt und bei denen man sich nicht darum kümmert, ob sie stumpf werden oder verloren gehen, weil man ja weiß, dass der Lehrer eine ganze Kiste voller neuer hat. Aber das Problem mit dem Leben ist doch, dass man es nicht gegen ein neues eintauschen kann und dass man nie weiß, wann seine Zeit abgelaufen ist. Denk nur mal an das, was meinem Vater und Bruce passiert ist. Aber meine Mutter macht einfach weiter mit ihrer Routine, elend