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Lieber Dylan

Lieber Dylan

Titel: Lieber Dylan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siobhan Curham
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hinaus auf den Treppenabsatz, um zu hören, was vor sich ging, aber der Lärm des Fußballspiels im Fernsehen übertönte es. Alles, was ich hörte, waren ein paar wenige geschriene Worte. »Verstehen« und »genug« von meiner Mutter und »versuchen« und»um Gottes willen« von ihm. Dann war wieder alles still. Ich ging in mein Zimmer zurück. Ich hörte, wie der Ton-Zerstörer unter die Dusche und dann ins Bett ging. Erst ungefähr eine Stunde später ging ich nach unten. In meinem Magen mischte sich der Sonntagsbraten mit dem Gefühl der Bedrohung. Ich hatte erwartet, meine Mutter mit einem ihrer »Cola«-Gläser weinend und zusammengekauert auf dem Sofa zu finden. Aber so war es nicht, sie machte ein Puzzle mit Michaela, redete mit ihr und lachte, als ob nichts geschehen wäre. Es war so merkwürdig. Aber was heute Morgen passiert ist, war das echte Wunder. Gegen acht Uhr kam Mum in mein Zimmer und weckte mich auf. Sie trug ihre Arbeits-Uniform nicht und hatte sich tatsächlich ein bisschen geschminkt. Du solltest sie sehen, wenn sie sich geschminkt hat, sie sieht dann noch schöner aus, noch mehr wie eine Porzellanpuppe. »Steh auf«, flüsterte sie. Michaela schlief noch im Bett gegenüber von meinem. Ich schreckte mitten aus einem Albtraum, in dem ich bei einem Talentschuppen auf der Bühne gesungen habe und jedes Mal, wenn ich meinen Mund aufmachte, ein Schwall Speiseöl herauskam. »Was ist denn passiert?«, fragte ich und rieb mir die Augen. »Nichts ist passiert«, antwortete sie. »Du musst nur aufstehen.« Ich runzelte die Stirn. »Warum denn?« Unter ihren dichten dunklen Wimpern blickte sie auf mich herunter. »Damit du pünktlich zu deinem Theater-Workshop kommst.«
    Du kannst dir sicherlich vorstellen, wie schockiert ich war. Ich musste meine Beine unter der Decke zusammenkneifen, um sicherzugehen, dass ich nicht träumte. »Was?« war alles, was ich herausbrachte, aber da war Mum schon aufgestanden und hatte meinen Schrank geöffnet. Sie drehte sich um, sah auf mich herunter und lächelte dasselbe komische Lächeln wie gestern, das ihre Augen nicht ganz erreichte. »Du willst doch noch gehen, oder?«, fragte sie. Ich nickte, zu schockiert, um irgendetwas zu sagen. Erst später, als ich in der Küche eine Scheibe Toast hinunterschlang, wagte ich, nach dem Ton-Zerstörer zu fragen. »Was ist mit ihm?«, erwiderte Mum, ohne sich vom Waschbecken abzuwenden, wo sie ihrenKaffeebecher abwusch. »Er hat gesagt, ich darf nicht gehen. Er hat gesagt, ich muss auf Michaela aufpassen.« Sie drehte sich immer noch nicht um. Aber sie antwortete mir. »Nun, ich habe gesagt, dass du gehen darfst. Und du bist meine Tochter.«
    Oh Nan, als sie das sagte, hätte ich zu ihr hinlaufen und sie ganz fest in die Arme nehmen wollen. Aber etwas an der Art, wie sie dort stand, verriet mir, dass ich das lieber nicht machen sollte. Als hätte sie in roten Großbuchstaben HALTE ABSTAND auf ihren steifen Rücken geschrieben. »Dann geh mal, du willst ja nicht zu spät kommen«, sagte sie und drehte sich endlich um. »Und mach dir keine Sorgen um Michaela. Ich nehme mir die Woche frei, damit ich mich um sie kümmern kann.«
    Den ganzen Weg unsere Straße hinunter wollte ich vor Freude singen   – bis ich das Taxi des Ton-Zerstörers um die Ecke biegen sah. Mein Magen drehte sich um, während ich sah, wie er näher kam, doch statt stehen zu bleiben und mich zu fragen, wo zum Teufel ich hinwollte, beschleunigte er und brauste in Richtung unseres Hauses davon. Ich hoffe, er war nicht fies zu Mum. Aber vielleicht war es das, worüber sie gestern gestritten hatten. Vielleicht hatte Mum ihm gesagt, dass ich zu dem Workshop gehen durfte? Es fühlt sich komisch an, sich vorzustellen, dass sie sich tatsächlich einmal gegen ihn aufgelehnt haben könnte.
    Ich hatte tödliche Angst, als ich im Gemeindezentrum ankam. Ich dachte, Debbie würde wirklich sauer auf mich sein, weil ich mich in der letzten Woche ja kaum hatte sehen lassen. Zum Glück kam ich vor allen anderen an, sodass ich die Chance hatte, allein mit ihr zu sprechen. Ich erzählte ihr, meine Stief-Großmutter sei schlimm krank gewesen, sie sei beinahe an einem Toffee erstickt, und Debbie umarmte mich und sagte, ich solle mir mal keine Sorgen machen, eine ganze Menge Leute wären letzte Woche nicht da gewesen, sondern verreist oder so was, und wenn ich der Meinung wäre, ich könnte meinen ganzen Text bis Mittwoch lernen, dann könnte ichtrotzdem noch die Blousey spielen, denn

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