herkömmlichen Regeln keine Gültigkeit haben, also ja, alles zu vermasseln ist in der Tat ein sehr gutes Zeichen. Ich bin der Meinung, du solltest deine Mutter unbedingt bitten zu kommen. Ich bin sicher, wenn sie sieht, wie du spielst, wird sie vor Stolz überwältigt sein, und es wird ihr den ganzen Ärger, den sie diese Woche mit dem Ton-Zerstörer auszustehen hatte, wert sein. Ich werde nie vergessen, wie ich Dylan zum ersten Mal in einer Schulaufführung gesehen habe. Er war nicht älter als fünf und hatte nur eine einzige Zeile zu sprechen, aber an die kann ich mich bis heute erinnern: »Danke, dass ihr zu unserem Schauspiel gekommen seid.« Aber die Bedeutung des Anlasses übermannte ihn, sodass er stattdessen sagte: »Danke, dass ihr zu uns zum Spielen gekommen seid.« Es war so goldig und brachte das gesamte Publikum zum Lachen. Und mir machte es nicht das Geringste aus, dass er es vermasselt hatte, ich war so verdammt stolz darauf, dass er mein Sohn war. Deine Mutter wird genau dasselbe empfinden, du wirst schon sehen.
Okay, jetzt zu den Tipps zum Ruhigbleiben:
Wenn du hinter der Bühne auf deinen ersten Auftritt wartest, nimm dir Zeit, dich in die Stimmung zu versetzen. Verwandle dich in Blousey, und schalte alles und jeden um dich herum aus.
Atme tief ein und aus und versuche, dadurch deinen Herzschlag ruhig zu halten, aber nicht so tief, dass du ohnmächtig wirst!
Wenn du auf die Bühne gehst, amüsiere dich – schließlich ist es ein enorm amüsantes Stück –, also genieße es!
Ernähre dich von deinem Publikum, als ob ihr Gelächter und ihr Applaus Sauerstoff wären – fühle, wie ihre Energie dich und deine Leistung erhebt.
Sei stolz – du wärst nie und nimmer als Blousey ausgewählt worden, wenn deine Lehrerin nicht überzeugt wäre, dass du der Rolle gewachsen bist – also wachse an deiner Aufgabe.
Ich hoffe, das hilft dir, Liebling, und Hals- und Beinbruch! Hier hast du noch einen weiteren lachhaften Aberglauben der Theaterwelt: Angeblich bringt es ausgesprochenes Pech, wenn man einem Schauspieler viel Glück wünscht. Ich denke an dich!
Nx
Von:
[email protected] An:
[email protected] Betreff: Re: Die Suchenden ...
Datum: Donnerstag, 17. August, 17:42
Danke!!! Gott, ich bin so nervös, ich habe Angst, dass ich mich übergeben muss. Ich werde noch fünf Minuten lang suchen, dann gehe ich nach Hause, um zu üben. Ich darf morgen einfach nicht meinen Text vergessen, ich darf nicht. Ein Teil von mir wünscht sich, ich würde mir wirklich Hals und Bein brechen – dann käme ich wenigstens um die Aufführung herum. Vielen, vielen Dank für deine Hilfe.
Alles Liebe,
Georgie xx
Von:
[email protected] An:
[email protected] Betreff: Re: Die Suchenden ...
Datum: Donnerstag, 17. August, 17:43
Gern geschehen, Liebling, und du wirst es schaffen. Ich werde an dich denken …
Alles Liebe,
Nx
Von:
[email protected] An:
[email protected] Betreff: Guten Morgen!
Datum: Freitag, 18. August, 09:09
Ich dachte mir, ich maile dir mal schnell auf dem Weg zum Workshop. Wir brauchen heute erst um zehn da zu sein, denn Debbie fand, wir könnten nach der ganzen harten Arbeit mal einen Morgen zum Ausschlafen gebrauchen. Ich fühle mich, als würden tausend Tiggers in einer Disco in mir herumhopsen. Ich habe solche Angst und bin so aufgeregt. Rate mal, was passiert ist? Ich kann es selbst noch gar nicht glauben! Meine Mum hat gesagt, sie kommt heute zu der Aufführung!
Der Ton-Zerstörer war gestern die ganze Nacht arbeiten, und ich saß auf meinem Bett und übte zum millionsten Mal meinen Text, als meine Mum ihren Kopf zur Tür hereinsteckte. »Brauchst du damitHilfe?«, fragte sie und nickte in Richtung meines Rollenbuchs. Ich konnte mein Glück nicht fassen, also lächelte ich und sagte Ja, und sie kam und setzte sich ans Ende des Bettes. »Willst du, dass ich dich den Text abfrage?«, fragte sie, aber wie sie es sagte, war total niedlich und schüchtern, als ob sie mich eigentlich fragen wollte, ob ich noch ihre Freundin wäre. »Ja, bitte«, antwortete ich. Und dann sah sie mich an, und ihre schönen großen Augen waren ganz glasig vor Tränen, und ich wusste nicht, was ich machen sollte, denn das letzte Mal, als ich versucht hatte, sie zu umarmen, hat sie gesagt, ich solle es lassen. Also legte ich nur meine Hand auf ihre, so wie Jamie es an dem Abend im Wald mit meiner Hand gemacht hatte. Mum sagte nichts, aber dann drehte sie