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Lieber Osama

Lieber Osama

Titel: Lieber Osama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Cleave
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doch nicht, sagte Jasper Black. Oder?
    Ich seufzte und schaute auf meine Füße am Ende des Betts, ein Huckel unter der grünen Krankenhausdecke.
    - Ich habe niemanden.
    - Doch, du hast mich. Ich stieß ihn fort.
    - Jasper Black, du bist schlimmer als niemand. Wenn du mich auch nur anfasst, habe ich sofort diese Explosion vor Augen. Ich weiß nicht, was ich mir mit dir gedacht habe. Ich wollte, wir wären uns nie begegnet. Meinen Mann und den Jungen, die habe ich geliebt. Aber ich habe sie ziehen lassen und bin mit dir in die Kiste gestiegen. Und auf einmal fliegt mir mein ganzes Leben um die Ohren. Ich habe sie nicht verdient, meinen Mann und meinen Jungen. Ich bin eine Schlampe, eine Verrückte. Weißt du, was sie hier im Krankenhaus gesagt haben? Sie sagten, von meinen Männern wäre nichts übrig als ihre Zähne. Ich könnte sie beide in einem Blumentopf beerdigen. Und dann kommst du und erinnerst mich noch daran.
    - Ist ja gut, sagte Jasper Black. Ist ja gut.
    Er hob die Hände, als wolle er sich ergeben, und rutschte mit dem Stuhl ein Stück vom Bett weg. Dann sahen wir uns lange an, ohne ein Wort zu sagen. Die neue Krankenschwester kam und wechselte den Infusionsbeutel. Als sie ging, schaute Jasper Black ihr auf den Hintern.
    - Achtung, 007, sagte ich.
    Jasper Black sah schnell wieder zu mir, lachte und schüttelte den Kopf.
    - Ich verstehe das nicht, sagte er. Du hast Humor, du siehst gut aus. Wie ist es möglich, dass niemand dich besucht?
    - Jetzt nerv mich nicht mit meiner Familie.
    - Aber was ist mit Freunden?
    - Ich sagte: Nerv mich nicht.
    Jasper Black zuckte die Achseln und hielt eine Weile den Mund. Der Ausblick vom Guy’s auf die Stadt ist unglaublich. Schade, dass man erst halb tot sein muss, um in London so eine Aussicht zu kriegen. Wir sahen beide aus dem Fenster, während unten in den Straßen die Lichter angingen.
    - Er ist übrigens nie dahintergekommen. Mein Mann, meine ich.
    - Woher willst du das wissen?, sagte Jasper Black.
    - Er hätte was gesagt.
    - Vielleicht auch nicht.
    - Würdest du nichts sagen?
    - Wahrscheinlich ja, sagte Jasper Black. Andererseits ist mein Leben mit Petra vielleicht den ganzen Ärger nicht wert. Viel leicht hat dein Mann es ja gewusst, aber bloß nichts gesagt, weil er euer Leben nicht kaputtmachen wollte.
    - Und du meinst, ich hätte das nicht gemerkt?
    - Ich meine, es wäre die Sache wert gewesen, sagte Jasper Black. Das ist mein Eindruck. Für euer gemeinsames Leben hätte es sich gelohnt.
    Ich setzte mich auf.
    - Was willst du eigentlich von mir? Jasper beugte sich näher zu mir.
    - Wie ist das so, wenn man Kinder hat? Ich seufzte.
    - Einmal hat mir mein Sohn ein Bild von einem Traum gemalt. Aber ich konnte nichts darauf erkennen. Ich meine, bei Bildern von Kindern weiß man ja nie, oder?
    - Keine Ahnung, sagte Jasper Black. Ich habe nicht die geringste Erfahrung mit Kindern.
    Okay, dann hör zu. Zum Beispiel ein orangener Schnörkel, das kann alles sein, eine Möhre oder der explodierende Todesstern aus Star Wars. Und Gnade dir Gott, wenn du darauf nicht kommst. Also besser vorher nachfragen. Ich habe meinen Sohn gefragt. Und er hat gesagt: Das ist doch Tigger, Mami, der gibt dir einen Schmatz, weil du so lieb bist. Ach, er war so ein süßer Junge. Natürlich konnte er auch ein richtiges kleines Monster sein. Ich weiß nicht, wie viele Nächte ich wach geblieben bin, wenn er krank war. Oder wie oft ich Wachsmalkreide von den Wänden putzen musste. Von 6 Uhr früh bis abends, wenn er ins Bett ging, immer war was anderes. Manchmal hab ich mir gewünscht, ich hätte ein bisschen mehr Zeit für mich. Und jetzt, wo ich die Zeit habe, ist es das Letzte, was ich will. Es ist wirklich verrückt.
    - Nein, gar nicht, sagte Jasper Black. Ich weiß genau, was du meinst. Bei der Zeitung zum Beispiel lebst du jeden Tag mit einer Deadline. Ich hasse das, aber ohne Deadline könnte ich wahrscheinlich gar nicht arbeiten. Mein Tag hätte keine Struktur mehr.
    -Ach wirklich. Dann hoffen wir mal, dass niemand deine geliebte Zeitung in die Luft sprengt. Jasper Black sah mich plötzlich groß an.
    - Ach Herrje, was bin ich für ein Arsch.
    - Stimmt. Aber Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung.
    - Es ist nur so schwierig, sagte er. Ich meine, hierfür die richtigen Worte zu finden.
    - Schon gut. Eigentlich bin ich ganz froh, dass du gekommen bist.
    - Ich hab dir auch was mitgebracht, sagte er.
    - Das sehe ich. Schöne Blumen. Wenn du mir versprichst, der Schwester

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