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Lieber Osama

Lieber Osama

Titel: Lieber Osama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Cleave
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vielleicht erzählst du das mal Jasper. Der dumme Junge heult sich gerade im Badezimmer die Augen aus. Er ist völlig am Boden zerstört. Wie er dich nur so verletzten konnte blablabla, du kennst das.
    Ich sah sie an. Nein, verletzt war ich eigentlich nicht, ich empfand ja nichts. Wodka und Valium taten ihre Wirkung.
    - Und du bist also Petra. Sieh einer an. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal seiner Freundin begegnen würde.
    Sie seufzte und musterte mich wie eine Zigarette, von der sie gleich die Asche schnippen würde.
    - Freundin ist so ein schnuckeliges kleines Wort, erwiderte sie.
    - Was bist du dann?
    - Ich bin jemand, der einen surrealen Tag hinter sich hat, sagte sie. Heute Mittag habe ich noch mit Salman Rushdie gespeist. Wir tranken Cote de Lechet. Wir sprachen über V. S. Naipaul und lange Haare bei Männern.
    Ein Polizeihubschrauber flog tief über die Straße, ließ seinen Suchscheinwerfer über die Fußwege der Siedlung streifen. Der Lichtstrahl zuckte über unser Fenster. Für den Bruchteil einer Sekunde war ihr Gesicht so gleißend weiß wie die Baumwollunterwäsche in der Persil-Werbung. Ich war plötzlich wütend auf sie.
    - Ihr Leute könnt wohl nie einfach nur mal sagen, es tut euch leid, was?
    Ihre Nasenlöcher blähten sich, und nun veränderte sich auch ihre Stimme. Sie klang zwar immer noch nach Geld, aber jetzt nach schmutzigem. Nach Geld, das in Reebok-Sporttaschen auf dem Parkplatz eines Nachtclubs den Besitzer wechselt.
    - Warum solltest du dumme Kuh mir leid tun?, sagte sie. Warum sollte ausgerechnet ich mich bei dir entschuldigen? Habe ich etwa mit dieser Scheiße angefangen? Nein, das warst du. Du musstest unbedingt mit Jasper vögeln. Und das als verheiratete Frau. Während dein Mann und dein Sohn starben, hast du es auf diesem fürchterlichen Ikea-Sofa mit meinem Freund getrieben. Also fang bloß nicht an, mir ein schlechtes Gewissen zu machen.
    Ich sah sie an, soweit das noch ging. In meinem Kopf drehte sich alles. Es fühlte sich an wie ein Flugzeugabsturz. Petra entriss mir die Wodkaflasche.
    - Gib her, sagte sie.
    Sie nahm einen tiefen Schluck, knallte die Flasche auf den Tisch und spuckte vor mir aus.
    - Da, sagte sie. Das ist das, was ich für Fotzen wie dich übrig habe.
    Sie drehte sich um und lief direkt gegen Jasper, der gerade in die Küche gekommen war, im Bademantel meines Mannes. Er kaute schniefend an seiner Unterlippe. Petra schlug ihm so hart ins Gesicht, dass die Spucke aus seinem Mund gegen den Kühlschrank flog.
    - Und du kannst dich auch gleich verpissen, sagte sie. Meinst du, ich hätte bei deinen blöden Spielchen mitgemacht, wenn ich gewusst hätte, dass das dabei herauskommt?
    - Aber das war doch gar keine Absicht, sagte Jasper. Ich dachte, sie wäre noch im Krankenhaus.
    - So reden Gebrauchtwagenhändler, Jasper, sagte Petra. So reden Immobilienmakler. Aber nicht mit mir, Jasper. Ich lasse mich von keinem Mann verarschen.
    Sie schlug ihm noch mal ins Gesicht und schrie herum, bis die Nachbarn von oben gegen die Decke bollerten. Ich wollte aufstehen, vergaß dabei aber ganz meine Krücke und legte mich flach auf den Linoleumboden. Ich sah Petras Highheels knapp an meinem Gesicht vorbeistaksen, als sie aus der Küche stürmte. Dann ließ ich mich auf den Rücken rollen, lag da und starrte an die Neon-Deckenleuchte. Jaspers Gesicht schaute auf mich herunter, mal groß und verschwommen, mal von ganz weit weg, als hätte jemand aus Versehen eine Videokamera weiterlaufen lassen.
    - Alles okay mit dir?, sagte er.
    - Seh ich so aus?
    Er kniete sich neben mich und legte mir die Hand auf die Wange. Die Hand war ganz kalt und zittrig.
    - Herrje, sagte er. Was haben wir dir bloß angetan!
    - Ja. Du und Osama Bin Laden.
    - Nein, ich meinte Petra und ich.
    - Na, ist doch egal.
    Er machte den Mund auf, als wollte er was sagen, schloss ihn aber gleich wieder. Wohl weil es nichts zu sagen gab.
    - Hör mal, kannst du mich ins Bett bringen?
    - Ach, ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist. Ich meine, Petra ist doch noch hier.
    Ich will ja auch nicht mit dir schlafen, du Sack. Ich meinte nur, ich schaff das nicht allein, ich kann meine Beine nicht mehr bewegen.
    - Oh, dann. Natürlich. Ja.
    Er hob mich vom Boden auf. Das war nicht schwer, denn so viel wog ich ja nicht mehr, Osama. Wenn einen alles, was man gern isst, an Bomben erinnert, hält sich der Appetit in Grenzen. Jasper trug mich also ins Schlafzimmer und legte mich aufs Bett. Er legte mich auf der Schlafseite

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