Lieber Osama
Teil im Kampf gegen den Terror, indem sie dort oben Wache hielten, mein Mann über einem Kricketfeld, mein Junge über dem Krankenhaus in der Ormond Street. Besonders bei Wind heulten die Ballonkabel auf eine Art, dass sich einem die Nackenhaare sträubten. Das war die Stimme meines Jungen, Osama, die einzige, die er noch hatte. Das war mein einziger Himmel.
Terence Butcher wandte sich mir wieder zu und stellte den Becher ab. Er tat es so hart, dass ein bisschen Tee herausschwappte.
- Weißt du, was das Schönste an so einem Wohnwagen ist?, sagte er.
- Nein.
Ich blickte auf die Hand neben der Pfütze Tee. Seine große Hand, von der ersten Sonne bereits gebräunt, mit Sehnen, so stark wie Kabel. Mein Blick folgte der Armlinie bis hinauf zum Ellbogen mit dem hochgekrempelten Ärmel. Ich stellte mir vor, wie meine kleine Hand in diesen Ärmel fuhr und die warme Wölbung seines Bizeps suchte. Weißt du, Osama, manchmal hatte ich so eine Vision, die Vision eines Lebens, wo ich mich nicht mehr vor Jasper Black verstecken musste. Ich meine, es war eher nur ein ganz kurzer Flash, aber dafür sehr konkret. Die Vision, dass wieder jemand an meiner Seite stand, jemand, der stark genug war, dass man mit ihm nochmal von vorn anfangen konnte. Und ich brauchte nur diese Hand anzugucken, um zu wissen: Ja, du wärst so einer.
- Das Schönste an so einem Wohnwagen ist, dass er immer gleich bleibt, sagte Terence Butcher. Egal, wohin du fährst, nach Brighton, Bournemouth oder Bognor, es spielt nicht die geringste Rolle. Wenn du abends die Tür hinter dir zumachst, bist du zu Hause. Darauf kannst du dich immer verlassen. Wenn ich abends im Bett die Augen schließe, stelle ich mir oft vor, ich würde hinter mir die Wohnwagentür zumachen. Egal, was für ein Tag hinter mir liegt oder um welche Katastrophen ich mich wieder kümmern musste, alles bleibt draußen.
Er hielt inne und schaute auf seine Schuhe. Dann sah er mich wieder an.
- Aber seit dem 1. Mai ist das anders. Ich hatte Entscheidungen zu fällen, die mir nicht leicht gefallen sind. Ich, habe Dinge getan, bei denen mir nicht wohl ist. Und ich schlafe nicht mehr richtig. Geradeso als könnte ich die Wohnwagentür nicht mehr hinter mir zumachen. Ich kann den Schrecken nicht aussperren. Zumindest das haben diese arabischen Dreckskerle erreicht. Sie sind in meinen Wohnwagen eingedrungen.
Ich sah ihn an. Er sah gar nicht gut aus. Seine Augen waren gerötet, und die Fingerspitzen, die er zu fest auf die Tischplatte presste, waren ganz fahl.
- Kann ich sonst noch was für dich tun, Sir?
Er zuckte zusammen.
- Oh, sagte er. Entschuldige, ich habe nur laut nachgedacht.
- Das macht doch nichts, es ist nicht deine Schuld. Aber du bist ein ganz schönes Nervenbündel, nicht? Und bei allem Respekt, so, wie du im Augenblick drauf bist, geht das nicht mehr lange gut, da wirst du zur Gefahr für die anderen.
Terence Butcher schaukelte auf seinen Füßen vor und zurück.
- Herrje, sagte ich, tut mir leid, das hätte ich nicht sagen sollen. Aber manchmal kann ich einfach meine Klappe nicht halten. Dabei bin ich selber ein Nervenbündel. Und wahrscheinlich feuerst du mich jetzt.
Aber er schürzte nur gedankenverloren die Lippen, schüttelte den Kopf und drehte sich wieder zum Fenster.
Unten auf der Straße marschierte ein Festzug vorbei. Die Proben für die Gay Pride Parade. Aber da man wegen der Panzerglasscheibe nichts hörte, war der Eindruck eher bescheiden. Es waren so viele Sicherheitskräfte auf der Straße, dass es eher wie eine Polizeiparade aussah, garniert mit ein paar schwulen Statisten. Terence Butcher sah sich das Schauspiel an und seufzte.
- Und was, meinst du, soll ich jetzt mit dir machen?, sagte er. Ich kann dich nicht rauswerfen, nur weil du Recht hast. Be fördern kann ich dich aber auch nicht, denn ich wüsste niemanden, der für den Polizeidienst schlechter geeignet wäre als du. Und weitermachen wie bisher können wir ebenfalls nicht, weil du mir allmählich zu sehr unter die Haut gehst.
Er drehte sich vom Fenster weg.
- Ich habe dich zum Teekochen eingestellt, sagte er. Das ist alles.
- Gut, Sir, dann mache ich also nur Tee – und halte von jetzt an den Rand.
- Nein, sagte er. Tu das nicht. Ich hab doch sonst niemand zum Reden.
- Und was ist mit deiner Frau?
- Was soll mit ihr sein?, sagte er.
- Kannst du mit der nicht reden?
- Das ist was anderes, sagte er.
- Wie anders?
- Eben anders, sagte er. Anders, indem ich zwar mit dir über sie reden kann,
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