Lieber Osama
erinnerte mich an diese Tiersendung im Fernsehen, wo ein Gürteltier versucht, einen Ameisenhaufen anzugraben.
Trotzdem, ich konnte nichts dagegen tun. Auf der Klobrille hatte er mich in der Zwicke. Erst dachte ich, er will mich vergewaltigen, aber das tat er nicht. Stattdessen fing er an, mein Gesicht abzuküssen, Wangen, Nase, Ohren. Sein Atem hatte diesen eklig-süßlichen Geruch, der entsteht, wenn man schon den ganzen Tag ohne Unterbrechung säuft. Aber er küsste immer weiter. So als wollte er das Unvermeidliche noch ein bisschen hinauszögern.
In seiner Haut waren lauter Schnitte vom Rasieren. Er musste schon voll gewesen sein, ehe er das Haus verließ. Er hatte Schuppen auf den Revers, und sein T-Shirt hätte auch mal jemand waschen können. Vielleicht lag es ja nur an den vielen Gin Tonics, aber auf einmal tat er mir leid. Ich meine, natürlich tat ich mir leid, aber er auch. Man muss schon ziemlich kaputt sein, um so eine Nummer abzuziehen. Osama, ich sage dir, die Liste deiner Vergehen ist ziemlich lang, aber zumindest hat dich bisher noch niemand beschuldigt, Mädels auf den Lokus hinterherzugehen.
Irgendwie war das alles nicht mehr Jasper Black. Als ich in seine Augen schaute, sah ich, was los war. Selbst wenn er hätte aufhören wollen, hätte er es nicht mehr gekonnt, weil er längst jede Kontrolle über sich verloren hatte. Sein Leben kollidierte mit meinem, aber ganz langsam, wie in Zeitlupe. Er schob mir eine Hand zwischen die Beine und stieß den Daumen in mich rein, was wehtat, weil ich nicht dazu bereit war und weil damit auch die ganze Leere in mich zurückströmte.
Mittlerweile wehrte ich mich nicht mehr. Es war sinnlos, und ich wollte nicht, dass er mir noch mehr wehtat als ohnehin schon. Es wurde dann sehr still in der Kabine, nur das eklig-süßliche Schnaufen auf meinem Gesicht war noch zu hören. Sobald ich mich nicht mehr wehrte, hörte er auf, mich zu küssen. Ich merkte ihm die Überraschung richtig an. Seine Augen verengten sich, und er hielt mir nicht mehr so fest den Mund zu. Er ließ aber auch nicht los, und sein Daumen steckte weiter in mir. Ich spürte den rasenden Puls darin.
Tränen rannen mir über die Wangen und auf seine Hand. Unter dem grünlichen Neonlicht der Toilette starrte er auf mich herab. Und ich sah, wie sein Gesicht von weiß glühenden Metallsplittern zerfetzt wurde und Blut an die Kabinenwand spritzte, bis all das Gekritzel einsamer Lesben darunter verschwand. In mir zuckte nervös Jaspers Daumen, und meine Eingeweide zogen sich zusammen. Ich hörte sein Schnaufen und das Tropftropf des Wasserhahns draußen vor der Kabine. Dann hörte ich die Tür auf- und wieder zugehen. 2 Schritte, dann Stille. Dann Terence Butchers Stimme.
- Hallo?, sagte er. Hör mal, tut mir leid, aber du bist jetzt schon eine Ewigkeit da drin. Ich frag mich bloß, ob alles in Ordnung ist.
Jasper starrte mich an. Ich sah seine Pupillen auf einmal doppelt so groß werden wie normal und spürte seine Hand wieder fester auf meinem Mund. Er blickte zur Tür, dann auf mich. Seine Hände zitterten. Ich fühlte die Panik in mir – und in ihm.
- Hallo?, sagte Terence. Hör mal, falls dir schlecht sein sollte: Das ist doch nicht so schlimm. Komm erst mal da raus, dann helf ich dir sauber machen. Und danach trinken wir noch irgendwo einen Kaffee.
Jasper blickte wild umher. Er suchte nach einem Fluchtweg. Vielleicht nach einem dieser kleinen Oberlichter wie in Filmen immer. Aber es gab keins.
- Sag doch was, sagte Terence. Sag mir nur, dass alles okay ist, dann warte ich draußen. Sonst muss ich reinkommen.
In dem Moment gab Jasper diesen winzigen Laut von sich, so ein jämmerliches, leises Kieksen ganz tief aus dem Hals. Denselben Laut, den auch mein Junge immer machte, wenn er hingefallen war oder sich irgendwo gestoßen hatte – kurz bevor sein Gesicht sich jämmerlich verzog und in Tränen zerfloss.
Das verstehst du natürlich nicht, Osama, du bist eben keine Mutter. Was überhaupt der springende Punkt ist, schätze ich mal. Denn als ich dieses traurige kleine Kieksen hörte, schaltete ich auf Autopilot. Ich hatte ja noch die Hände frei, und eine davon legte ich jetzt auf Jaspers Wange und fing an, sie zu streicheln. Mit der anderen zog ich die Hand weg, die meinen Mund zudrückte. Erst wollte er nicht, aber dann sah er in meine Augen und ließ los. Plötzlich war er ganz brav und wartete einfach auf meine Reaktion. Ich hielt seinem Blick stand und fühlte seinen Daumen in mir
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